Rettungslos
neben seinem Vater steht. »Na, mein Schatz«, sagt sie leise, »wie geht es dir?«
Sofort setzt Jelmer sich zu ihr aufs Bett und schmiegt sich an sie. Senta rutscht ein wenig beiseite, legt den Arm um ihn, wuschelt durch seine dunklen Locken und küsst ihn auf die Stirn. Der vertraute Kindergeruch erinnert sie an Einschlafrituale und Gutenachtgeschichten, an abendliches Knuddeln und nasse Schmatzküsse.
Wie konnte sie nur ihre Familie vergessen?
»Macht euch keine Sorgen«, sagt sie. »Ich bin wieder bei euch. Alles ist in Ordnung.«
Ganz vorsichtig, als wäre er davon noch nicht so recht überzeugt, streicht Freek ihr eine Haarsträhne aus der Stirn. »WeiÃt du denn noch etwas von dem
Unfall? Und wie du überhaupt in dieser Gegend gelandet bist?«
»Ich erinnere mich bloà noch daran, dass ich auf dem Rückweg von einem Termin war. Und dann â¦Â« Sie überlegt angestrengt. »Dann zog plötzlich dichter Nebel auf. Ja, das weià ich noch. Ich kam an eine Kreuzung, konnte die Schilder kaum lesen und muss falsch abgebogen sein.«
»Aber warum bist du so schnell gefahren? Das ist so gar nicht deine Art, sonst bist du doch eher übervorsichtig.«
Erstaunt sieht Senta ihren Mann an. »Ich bin zu schnell gefahren?«
»Unverantwortlich schnell, das hat ein Zeuge gesagt«, mischt Niels sich ein. »Und er muss es wissen, schlieÃlich hat er den Unfall gesehen.«
»Wenn der Mann dort nicht zufällig mit seinem Hund spazieren gegangen wäre â¦Â« Freek beendet den Satz nicht.
Ein unbehagliches Gefühl beschleicht Senta. Ihr ist, als würden sie über einen Film reden, den alle kennen und in dem sie die Hauptrolle spielt, ohne sich an etwas erinnern zu können.
»Was genau ist passiert?«, fragt sie unsicher.
»WeiÃt du das wirklich nicht mehr, Mam?«, ruft Denise verwundert. »Du bist in den Kanal gefahren! Um ein Haar wärst du ertrunken!«
Es ist wie ein Schlag vor den Kopf. Ertrunken! Daher das Gefühl, sie befände sich unter Wasser und müsste um jeden Preis an die Oberfläche gelangen.
»Wer ⦠wie â¦Â«
»Ein Passant hat es gesehen und dich gerettet«, hilft Denise ihr auf die Sprünge.
Senta fasst sich an die Stirn und beginnt, sie mit langsam kreisenden Bewegungen zu massieren. »Ich weià nichts mehr ⦠absolut nichts.«
Eine ganze Weile ist es still.
»Das spielt jetzt auch keine Rolle«, sagt Freek schlieÃlich. »Hauptsache, du lebst und hast keine bleibenden Schäden davongetragen.«
Das bleibt abzuwarten, denkt Senta. In Freeks Blick liest sie, dass er sich die gleiche bange Frage stellt. Aber vor den Kindern sprechen sie es nicht aus.
Sie lebt, sie erkennt ihre Familie, sie kann sprechen und sich bewegen â alles andere wird sich weisen.
»Sei froh, dass du dich an nichts erinnerst«, meint Niels. »So bekommst du wenigstens keine Albträume wie neulich nach diesem Horrorfilm.«
Alle lachen befreit, auch Senta.
Die Atmosphäre entspannt sich zunehmend, die Kinder reden durcheinander und witzeln. Jelmer steht auf und inspiziert die Röhrchen, Schläuche und Monitore neben ihrem Bett.
Freek setzt sich zu ihr und streichelt unaufhörlich ihre Hand.
Senta sagt nicht viel, sie genieÃt es einfach, wieder im Leben zu sein. Der Besuch ihrer Familie ermüdet sie allmählich, aber lieber würde sie sich die Zunge abbeiÃen, als das zu sagen.
Niels hat recht, denkt sie. Wahrscheinlich ist es besser, ich erinnere mich an nichts, dann kann es mich auch nicht belasten.
Plötzlich hat sie das Gefühl, es sei sehr wichtig, sich doch an den Unfall zu erinnern, vor allem an den Grund, weshalb sie in dieser Gegend war und so unverantwortlich schnell gefahren ist.
21
Unsicher meldet Lisa sich: »Hallo, Mutti.«
»Hallo, mein Schatz, ich binâs«, sagt ihre Mutter ziemlich überflüssigerweise. »Wie geht es dir?« Ihre Stimme klingt entspannt, sie ist eindeutig auf einen längeren Plausch eingestellt. Lisa sieht sie vor sich, auf dem roten Sofa, eine Tasse Tee in Reichweite.
»Danke, gut«, sagt sie. »Anouk ist allerdings krank.«
Warum hat sie das gesagt? Vermutlich, weil sie es normalerweise auch erwähnt hätte. Jedenfalls ärgert sie sich nun darüber, denn ihre Mutter stellt prompt eine Reihe besorgter Fragen und will unbedingt vorbeikommen.
»Es ist nichts
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