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Rettungslos

Titel: Rettungslos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: van der Vlugt Simone
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gezogen. Im letzten Moment, aber immerhin.
    Sie stand mit dem Auto an der Ampel, als sie plötzlich Menno und seine Familie sah. Sie bogen um die
Ecke, der ältere Sohn lief vor den Eltern her, der Kleine saß im Buggy. Menno und Monique sahen nicht so aus, als hätten sie eine Ehekrise, im Gegenteil: Sie wirkten gut gelaunt, redeten und lachten.
    Unmittelbar neben Lisas Auto küssten sie sich. Dann steuerte Monique mit den Kindern auf einen Spielzeugladen zu, und Menno schickte sich an, die Straße zu überqueren.
    Er blickte sich noch einmal um und rief seiner Frau etwas zu. Monique lachte und warf ihm eine Kusshand zu.
    Die Ampel zeigte Grün, und der Fahrer neben ihr ließ den Motor im Stand aufheulen, als Warnung für den Mann, der noch rasch über die Straße wollte.
    Hätte sie ihrem ersten Impuls nachgegeben und wäre aufs Gaspedal gestiegen, hätte sie Menno Sekunden später überfahren.
    Aber sie zögerte. Ein kleiner Moment der Besinnung hatte ihm das Leben gerettet. Auch sie war froh darum, obwohl der Zorn noch lange in ihr kochte, bevor er einem stillen Kummer wich.
    Noch am selben Tag machte sie endgültig Schluss mit Menno, weil sie die Wucht des plötzlichen Hasses auf ihn tief erschreckt hatte.

34
    Den ganzen Nachmittag über sitzen sie auf den Polstern der Gartenstühle, wagen sich nicht zum Wasserholen aus dem Keller und verbringen dort auch die Nacht. Anouk klagt nicht ein einziges Mal, sie erträgt Hunger, Durst und alle anderen Widrigkeiten mit einer für ihr Alter erstaunlichen Gelassenheit. Das Penicillin hat zum Glück gut angeschlagen, der Husten ist verschwunden. Aber wie lange wird das in dem feuchten Keller so bleiben?
    Â»Wenn Papa kommt, schickt er den Mann weg, ja?« Anouk sieht Lisa so hoffnungsvoll an, dass sie es nicht übers Herz bringt, ihr diesen Strohhalm zu nehmen.
    Â»Ganz bestimmt«, sagt sie und wird nervös bei dem Gedanken, dass Menno hier jederzeit auftauchen kann. Wie Kreuger dann wohl reagieren wird? Schließlich hat er gehört, was Menno auf den Anrufbeantworter gesprochen hat.
    Â»Mir ist ein bisschen kalt«, meint Anouk zaghaft.
    Lisa zieht sie an sich. Auch wenn ihre Beziehung
mit Menno nicht nach Wunsch verlaufen ist, hat sie immerhin Anouk.
    Was hat Menno vorhin gesagt? Monique wolle sich scheiden lassen? Hoffnung keimt in ihr auf, aber gleichzeitig befürchtet sie, das nervenzehrende Hin und Her könnte von Neuem beginnen. Mit geschlossenen Augen lehnt sie sich an die Wand.

35
    Eigentlich hatte sie es sich anders vorgestellt, wieder zu Hause zu sein. Ruhelos geht Senta mit einem Becher Kaffee in der Hand im Wohnzimmer auf und ab. Ein langer Nachmittag liegt vor ihr, viele Stunden, in denen sie mehr als genug Zeit zum Nachdenken hat. Am liebsten würde sie sich sofort wieder in die Arbeit stürzen, um nicht tatenlos zu Hause zu sitzen. Die Arbeit würde sie auch davon abhalten, weiter über den Unfall nachzugrübeln, darüber, wie nahe sie dem Tod war. Es tut ihr nicht gut, ständig daran zu denken.
    Um sich ein wenig Zerstreuung zu verschaffen, setzt sie sich ans Klavier und stellt den Kaffeebecher ab. Lustlos klimpert sie mit einer Hand die ersten Takte von Für Elise, kommt aber bald ins Stocken. Vor ein paar Jahren konnte sie das Stück noch problemlos auswendig.
    Ihr Blick fällt auf die silbergerahmten Fotos auf dem Klavier. Bilder von den Kindern, als sie noch klein und niedlich waren.

    Sehnsucht nach früher überkommt sie, obwohl sie genau weiß, dass sie sich damit etwas vormacht: Zu der vermeintlich sorglosen Vergangenheit gehören auch viele schlaflose Nächte und die Tatsache, dass sie kaum Zeit für sich selbst hatte.
    Es ist gut so, wie es ist, denkt sie. Sie kann mit ihrem Leben zufrieden sein. Ja, sie freut sich sogar schon auf die Zeit, wenn die Kinder aus dem Haus sind und sie mit Freek endlich die lang ersehnte Weltreise machen kann.
    Unwillkürlich wandern ihre Gedanken zu Alexander, und sie stellt fest, dass er ihr nicht fehlt. Was sie vor Kurzem noch als spannende Bereicherung ihres Daseins empfunden hat, scheint nun in erster Linie ein Problem zu sein, das es zu lösen gilt. Wie konnte sie nur glauben, ihr Leben sei langweilig, ihre Arbeit und die Familie reichten nicht aus, um sie glücklich zu machen?
    Senta klimpert noch ein wenig auf den Tasten herum. Den ganzen Vormittag über hat Freek ihr Gesellschaft geleistet. Bei jedem

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