Rettungslos
leicht abwimmeln wie ihre Mutter, und Geduld ist nicht gerade seine Stärke: Wenn er sie sprechen will, ruft er in kurzen Abständen immer wieder an, bis er sie erreicht.
In der Küche nimmt sie Käse und Butter aus dem Kühlschrank.
»War das Papa?«, flüstert Anouk überlaut.
Lisa nickt und legt den Finger auf die Lippen.
Anouk setzt sich an den Klapptisch. »Papa will morgen mit mir in den Zoo!«, flüstert sie.
Durch die halb offene Tür späht Lisa nach Kreuger, aber er befindet sich auÃerhalb ihres Blickfelds. Seufzend dreht sie sich um und nimmt den Käsehobel zur Hand.
Als das Telefon erneut klingelt, erschrickt sie so sehr, dass der Hobel abrutscht. Sie steckt den leicht blutenden Daumen in den Mund und wartet gespannt, doch Kreuger ruft nicht nach ihr. Er lässt es läuten, bis der Anrufbeantworter anspringt.
Eine vertraute Stimme ertönt, eine Stimme, die Lisa die Tränen in die Augen treibt.
»Ich binâs. Ich hab vorhin schon mal versucht, dich zu erreichen, aber es ging niemand dran. Ich wüsste gern, wann ich Anouk abholen kann, wir wollen in den Zoo.« Nach kurzem Zögern fährt er fort: »Lisa, du fehlst mir. Hoffentlich überlegst du dir das Ganze noch mal. Monique weià jetzt von der Sache mit uns, ich habe ihr alles gesagt. Sie will sich scheiden lassen.«
Dann klickt es â Menno hat aufgelegt.
Seine letzten Worte hallen in Lisas Kopf nach, dann ist es beklemmend still.
Wie zu Eis erstarrt, steht Lisa vor der Arbeitsplatte, den Daumen nach wie vor im Mund, den Blick angstvoll auf die Tür gerichtet.
Nichts regt sich im Wohnzimmer, doch dann hört sie Schritte, so schwer, als läge darin Kreugers gesamte unterdrückte Wut.
Sie beugt sich ein wenig zur Seite und sieht ihn auf die Küche zusteuern.
33
Mit einer schnellen Bewegung schiebt sie Anouk in Richtung Waschküche und geht hinterher.
Die Kellertür ist offen, und der Schlüssel steckt, das hat Lisa gestern Abend vor dem Schlafengehen registriert und flüchtig gedacht, dass sie mit ihrer Tochter in den Keller fliehen könnte, allerdings nur im äuÃersten Notfall, denn dort säÃen sie wie Ratten in der Falle.
Dessen ist sie sich auch jetzt bewusst. Doch als sie Kreugers Schritte in der Küche hört, zieht sie rasch den Schlüssel, macht die Tür hinter sich zu und schlieÃt ab. Auch jetzt, bei Tag, ist es düster im Keller. Das bisschen Licht, das durch das schmale Fenster auf den Betonboden fällt, erhellt den Raum nur notdürftig.
Sie stehen noch oben an der Treppe, als Kreuger an der Klinke rüttelt. »Mach auf!«, brüllt er. »Mach sofort auf, du Miststück!«
Im Dämmerlicht sieht Lisa, dass Anouk sich die Finger in die Ohren gesteckt hat und am ganzen Körper zittert. Sie zieht das Kind an sich.
»Ich habâs doch gewusst!«, schreit Kreuger. »Du bist um kein Haar besser als die anderen Weiber! Elende Lügnerin! Wenn ich dich zu fassen krieg, schneid ich dir die Titten ab und erwürg dich mit deinem eigenen BH!«
Er wirft sich gegen die Tür, kann aber gegen das robuste Holz nichts ausrichten.
Leise gehen Lisa und Anouk die Treppe hinab, setzen sich in eine Ecke und warten.
»Mama?«
»Keine Angst, hier kann er uns nichts tun.« Lisas Stimme zittert, sie legt den Arm um Anouk.
Eine ganze Weile noch drischt Kreuger auf die Tür ein und brüllt wie ein Stier, dann herrscht plötzlich eine unheimliche Stille. Kein Laut, der verrät, was er vorhat. Die Tür mit Brettern vernageln, Feuer legen? O Gott, nur das nicht!
In den folgenden Stunden hört Lisa ihn des Ãfteren umhergehen, ein paarmal gluckert Wasser durch die Leitungen im Keller. Er kommt mehrmals in die Waschküche, und seine Schritte verharren vor der Tür. Dann hält sie die Luft an, lauscht auf Geräusche, die darauf hindeuten, dass er mit einer Brechstange oder Säge zugange ist. Aber Kreuger unternimmt nichts dergleichen, er lässt sie einfach im Keller sitzen, und Lisa wird rasch klar, warum: Hier unten haben sie nichts zu essen, nichts zu trinken und auch kein Bettzeug. Notfalls können sie die Nacht auf den Polstern der Gartenstühle verbringen, aber damit hat es sich auch. Das Ganze wäre weniger schlimm, wenn es im Keller einen Wasseranschluss gäbe. Ohne feste Nahrung kommt
man eine ganze Weile aus, aber wie lange schafft man es ohne Flüssigkeit?
Zum
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