Return Man: Roman (German Edition)
starben, hallte von den Wracks wider und bohrte sich förmlich in Marcos Gehirn, bis er schließlich in einem feuchten Gurgeln erstarb.
Noch ein Soundeffekt für seine Albträume.
Er rannte weiter, eine Schrittlänge hinter Wu– rang den höllisch schmerzenden Beinen noch einmal fünf Schritte ab, dann noch einmal fünf Schritte und noch einmal fünf Schritte…
Schließlich fielen keine Schüsse mehr. Alle waren tot.
Die Wüste lag wieder still da.
Wu blieb stolpernd stehen. » Das ist weit genug«, sagte er keuchend. » Pause.«
Marco drehte sich um und staunte, wie weit er gerannt war; Angst und Adrenalin hatten sein Entfernungsgefühl durcheinandergebracht. Das umgestürzte Polizeiauto war über anderthalb Kilometer entfernt und nur noch als Punkt in der flimmernden Hitze zu sehen. Die anderen verrosteten Fahrzeuge waren nur noch in groben Umrissen zu erkennen und verschmolzen mit der Umgebung.
Von hier aus schien alles ruhig, und es gab keinerlei Anzeichen für die Fressorgie, die dort stattfand.
Die beiden Männer standen da und warteten.
Es tat sich nichts.
» Die Reiter?«, fragte Marco.
Wu zuckte die Achseln und ging weiter. » Fürs Erste sind wir sicher.«
» Tod im Geisterstau«, sinnierte Marco.
» Wollen wir’s hoffen«, sagte Wu, obwohl er nicht allzu optimistisch klang. » Jetzt müssen wir zu Fuß nach Sarsgard gehen. Und wir sind irgendwo am Arsch der Welt.«
Das öde Terrain erstreckte sich von der Interstate nach Osten und Westen; es gab nichts außer Gestrüpp und vereinzelten Brittlebrush-Sträuchern, die in der Abendsonne lange Schatten warfen.
» Ich habe die Landkarte dabei.« Marco klopfte auf seine Gesäßtasche. » Aber ich weiß nicht, ob wir sie überhaupt noch brauchen– wir sind wahrscheinlich schon fast da.«
Er deutete auf ein einsames weißes Straßenschild vor ihnen; es war das einzige von Menschenhand geschaffene Objekt weit und breit. Schwarze Lettern verkündeten eine deutliche Warnung:
Strafanstalt IM UMKREIS
Keine Anhalter mitnehmen
Wu rückte den Rucksack auf seiner Schulter zurecht. » Sehr ermutigend.«
» Ja. Das nenne ich mal einen guten Rat.« Marco warf einen letzten Blick auf die Berge. Es war niemand zu sehen. Doch die Sonne sank stetig. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und den Augenbrauen. » Wir sollten uns lieber beeilen.«
Wu übernahm die Führung und marschierte zügig weiter. Seine Schulterblätter bewegten sich beim Gehen so geschmeidig wie die eines Raubtiers auf der Pirsch. Fliegen umschwirrten summend den verschmutzten Verband. Er verjagte sie alle paar Dutzend Schritte.
» Zu dumm, dieses Verbot, Anhalter mitzunehmen«, sagte Marco trocken. » Wir brauchen nämlich eine Mitfahrgelegenheit, wenn wir hier fertig sind. Zu Fuß wäre es ein weiter Weg nach Arizona.«
» Alles der Reihe nach, Doktor«, sagte Wu, ohne sich umzudrehen. » Vielleicht leben wir gar nicht mehr lang genug, um mit diesem Problem konfrontiert zu werden.«
Marco sagte nichts. Seine Füße schmerzten, und er spürte eine nässende Blase am großen Zeh, die beim Marschieren am Stiefel scheuerte. Am östlichen Horizont sah er Gebäude und ein Hinweisschild für eine Tankstelle, doch die Straße schlängelte sich weiter dem Sonnenuntergang entgegen. Ein zimtfarbener Habicht flog auf der Suche nach Kaninchen und Erdhörnchen über sie hinweg. Wenigstens sind die Kaninchen so schlau, sich zu verstecken, sagte Marco sich. Nicht wie wir Idioten, die weithin sichtbar mitten durch Leichenland, den neuen Bundesstaat der USA , streifen. Wir sind eine leichte Beute. Er konzentrierte sich auf den lädierten Zeh. Autsch. Autsch. Autsch. Wenigstens war dieser Schmerz noch erträglich und lenkte ihn von schwerwiegenderen Problemen ab.
Zwanzig Minuten vergingen und dann dreißig. Keiner der beiden Männer sagte etwas. Es gab auch nichts zu sagen. Sie waren erschöpft und zerschlagen und marschierten schnaufend weiter.
Schließlich brach Wu das Schweigen.
» Da ist es«, sagte er feierlich. » Sarsgard.«
10 . 3
Als Marco auf der Kreuzung von zwei Wüstenstraßen stand und den großen Komplex des Gefängniskrankenhauses von Sarsgard betrachtete, erinnerte er sich daran, wie er zum ersten Mal den Grand Canyon gesehen hatte. Es war eine Tagesfahrt zum Südrand gewesen; in dem Sommer, als Danielle und er nach Arizona gezogen waren. Nichts hatte ihn auf diesen Anblick vorbereitet– keine Bildbände, keine Dokumentationen, auch nicht die abstrakten Entwürfe seiner
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