Return Man: Roman (German Edition)
sich an, wurden in Handgemenge verwickelt und stießen bellende Laute aus. Marco biss sich auf die Lippe.
Bist du irgendwo da drin, Roger?
Nervös studierte er den Zaun. An einem Ende hing er herunter; da war ein Riss im Drahtgeflecht. Doch die Leichen schienen das nicht zu bemerken. Sie wuselten unablässig herum, ohne diesen Fluchtweg zu nutzen. Sie hatten wohl auch keinen Grund, den Gefängnishof zu verlassen, dachte er. Sie waren daran gewöhnt. Er war ihre Heimat.
Hinter sich hörte er ein röchelndes Motorengeräusch. Er drehte sich um.
Wu hatte auf dem Fahrersitz des nächsten MTVR Platz genommen. Der Sergeant runzelte die Stirn angesichts der Startschwierigkeiten. Der Kraftstoff war schon alt und oxidiert. Er versuchte es wieder und dann ein drittes Mal. Beim vierten Versuch sprang der Motor schließlich an. Er beugte sich aus dem Fenster. » Steigen Sie ein«, sagte er.
» Sind Sie auch sicher, dass Sie damit klarkommen? Den letzten Lkw haben Sie schließlich geschrottet.«
Wu schien das nicht lustig zu finden. » Es wird dunkel, Doktor.«
» Schon gut, schon gut.« Marco setzte sich auf den Beifahrersitz. » Gute Idee. Ich würde mir die Anlage sowieso lieber aus einem fahrenden Fahrzeug heraus ansehen. Die Besichtigungstour zu Fuß wäre mir zu riskant.«
Wu steuerte den Lkw durch die Bresche, und sie rumpelten über das Geröll hinweg. Dann bog er links ab und fuhr an der Innenseite der Mauer entlang. Die Sonne war bereits untergegangen, und die Details des Gefängnisgeländes verschwammen zu einem diffusen Grau. Am östlichen Himmel war schon die fahle Mondsichel zu sehen. Sogar die Geier waren verschwunden und hatten sich zur Nachtruhe in ihre Nester zurückgezogen. » Es ist schon zu spät, um die Gefängnisblöcke zu durchsuchen«, sagte Wu. » Das hätte nachts keinen Sinn– es gibt dort kein Licht. Das wäre Selbstmord.«
» Und ich dachte, wir wären schon dabei, Selbstmord zu begehen.«
Wu ignorierte das. » Machen Sie sich keine Sorgen, Doktor. Es gibt auf der Ladefläche jede Menge Waffen. Und Lebensmittelvorräte. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie genauso hungrig sind wie ich.«
» Sie wollen doch hoffentlich nicht hier draußen übernachten? In diesem Lkw?«
» Nein. Dort oben.« Wu bremste den Lkw am Fuß eines anderen Wachturms ab. Er war unbemannt. » Hier sind wir für die Nacht sicher.«
Marco legte den Kopf in den Nacken und warf einen Blick auf die Leiter. Die Luke stand einladend offen. » Soll mir recht sein«, meinte er. » Aber dieser Kerl hat keinen Zutritt.«
Er deutete auf den Außenspiegel. Der tote Wachposten vom ersten Turm wankte noch immer quälend langsam in ihre Richtung.
» Er wird einen Massenauflauf unter uns organisieren«, gab Marco zu bedenken. » Da ist ein Riss im Zaun des Gefängnishofs. Wenn wir ihre Aufmerksamkeit erregen, werden die toten Häftlinge einen Gefängnisausbruch starten.«
Wu biss sich auf die Lippen. Nach kurzer Überlegung legte er den Rückwärtsgang ein, und sie ratterten über den steinigen Erdboden ein paar Meter zurück.
Ein dumpfer Schlag ertönte.
Wu fuhr wieder ein Stück vor. Marco warf einen Blick in den Spiegel. Der Wachposten lag auf dem Boden. Die hintere Stoßstange hatte ihm auf Kniehöhe die Beine gebrochen. Er schlug mit einer faulig verfärbten Hand auf den Boden wie ein unterlegener Ringer, der um den Abbruch des Kampfs bat.
» Damit hat sich das wohl erledigt«, sagte Wu. Er parkte unter dem Turm und stellte den Motor ab. » Nehmen Sie sich, was Sie brauchen, und dann gehen wir.«
Auf der Ladefläche fand sich ein reichlich bestücktes Waffenarsenal– M16-Gewehre, M4-Karabiner, HK 416 und Pistolen, darunter auch filigrane Kohlefaser-Modelle, die Marco noch nie gesehen hatte– alles griffbereit. Eine kurzläufige Schrotflinte stach ihm ins Auge. Er hatte keine Ahnung, was das für ein Modell war; aber verdammt noch mal, es schien eine Wumme mit ordentlich Bums zu sein. Also schnappte er sie sich und steckte sich auch noch eine Pistole in den Gürtel. Er spürte Wus Missbilligung, als er sich so massiv bewaffnete, doch das war ihm scheißegal. Scheiß auf Wu. Feuerkraft war Trumpf. Und Proviant. Er klemmte sich so viele EPA s unter die Arme, wie er nur konnte.
Mit vollen Händen erklomm er unbeholfen die Leiter. Von oben warf er einen Blick auf den toten Wachposten, der verkrümmt im Dreck lag. Er hatte ein runzliges, eingefallenes Gesicht, und die Beine waren grotesk abgespreizt. Sie verströmten eine
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