Return Man: Roman (German Edition)
Leiche auf der Plattform auftauchen – ein toter Wachposten. Seine blaue Uniform war zerlumpt, und die toten Augen lagen tief in den Höhlen. Der Mann musterte sie mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck. Er hatte ein Gewehr in den Armen, das schräg nach oben ragte.
» Hoffentlich weiß er nicht, wie man dieses Ding benutzt«, sagte Marco. » Lassen Sie uns in diese Richtung gehen. An der Mauer entlang.« Er deutete auf die Stelle, wo die Mauer im rechten Winkel abknickte.
» Wir haben aber keine Zeit, um die ganze Mauer herumzugehen. Das schaffen wir nicht vor Einbruch der Dunkelheit.«
» Wir haben wohl keine andere Wahl. Kommen Sie.«
Sie hielten sich dicht an der Mauer, um nicht ins Schussfeld des Wachturms zu geraten. Sogar ein Schimpanse konnte einen Abzug betätigen, sagte Marco sich, und vielleicht verfügte der tote Wachposten noch über ein so gutes Muskelgedächtnis, um einen Schuss ins Blaue abzugeben. Als sie unterhalb des Turms vorbeigingen, ertönte plötzlich auf der anderen Seite der Mauer ein dumpfes Geräusch. Marco trat einen Schritt zurück und legte den Kopf in den Nacken. Der Turm war leer. » Ich glaube, der Wachposten ist runtergefallen«, sagte er.
» Höhenangst kannte er wohl nicht«, bemerkte Wu. » Hat sich zu weit hinausgelehnt.«
Vorsichtig gingen die beiden in westlicher Richtung an der Mauer entlang. Wu hatte recht damit gehabt, dass die Strecke nicht zu schaffen war. Um den gesamten Komplex zu umrunden, hätten sie Stunden gebraucht.
Doch zu Marcos Erleichterung wurden sie schon nach zehn Minuten fündig. Als sie um die Ecke gebogen waren, dauerte es nicht mehr lange, bis sie auf eine Reihe olivgrüner Militär-Lkw stießen. Es handelte sich um vier bullige, gepanzerte Siebentonner mit sechs angetriebenen Rädern, die für den Transport von Truppen und Waffen durch die Wüste dienten. Alle Fahrzeuge waren leer.
» MTVR «, sagte Wu. » Medium Tactical Vehicle Replacement.«
Der neuste Truck des US Marine Corps.
» Cool«, sagte Marco.
Hinter den Lkw klaffte ein großes Loch in der Wand. Es war etwa drei Meter breit. Der Erdboden war mit melonengroßen Trümmerstücken übersät, und Stangen aus vergütetem Stahl ragten wie Spinnenbeine aus dem gesprengten Beton. Da war wohl Dynamit zum Einsatz gekommen, sagte Marco sich.
» Das erste AAE -Kommando hat dieses Loch in die Mauer gesprengt, um Roger rauszuholen«, sagte er. » Das hat aber nicht hingehauen. Wenigstens haben sie eine schöne neue Tür reingesprengt.«
Er zog die Automatik und ging vorsichtig zur Bresche.
Dann steckte er den Kopf hindurch… Er rechnete fast damit, dass tote Hände nach ihm griffen, ihn festhielten und sein Gesicht auf den freiliegenden Stahlstangen aufspießten.
Doch im Inneren des Komplexes war alles ruhig. Nichts regte sich. Er drehte den Kopf, suchte die Mauer nach einem Hinterhalt ab und machte sich schnell ein Bild von der Anordnung der riesigen Gefängnisanlage. Zumindest soweit er sie zu überblicken vermochte. Alle paar Hundert Meter ragten Wachtürme über die Mauer empor; zur Rechten sah er in der Ferne den vom Turm gefallenen Wachposten auf sich zuwanken. Er ging quälend langsam und stützte sich mit der Hand an der Wand ab. Das Gewehr war verschwunden.
Ein breiter Streifen Niemandsland aus staubigem Gelände trennte Marco von den ersten Gebäuden– drei düstere, hundert Meter entfernte Blöcke. Sie ähnelten eher alten Fabrik- als Gefängnisgebäuden; die Fenster waren schmutzig und zerbrochen, und kegelförmig gemauerte Schornsteine ragten in die Höhe. Ein schmaler Betriebsweg führte von den Fabrikgebäuden zu einer kleinen Tankstelle und einem Wasserturm, der ein Leck zu haben schien. Hinter dem letzten Gebäude lag ein Sportplatz. Das Spielfeld war mit Steinen und struppigen Grasbüscheln übersät.
Und dahinter befand sich wiederum der Hauptkomplex– offenbar ein vorgelagertes Verwaltungsgebäude und das Gefängnis selbst.
Die Zellenblöcke. Die mächtigen roten Gebäude, die er von der Hauptstraße aus gesehen hatte. Drei lange Gebäude, jedes vier Stockwerke hoch. Die Fenster waren mit schwarzen Stahlstäben vergittert. Die Gebäude waren hufeisenförmig um einen mit Unkraut überwucherten Hof angeordnet. Die offene Seite wurde durch einen Maschendrahtzaun begrenzt. Die ganze Anlage erinnerte Marco an einen Hundezwinger. Und hinter diesem Zaun…
Leichen. Wie Tiere in einem Käfig. Dunkle Gestalten schlurften hinter dem Maschendrahtzaun umher, rempelten
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