Return Man: Roman (German Edition)
zähe Flüssigkeit, die eklige schwarze Pfützen bildete.
Ich weiß, wie du dich fühlst, Kumpel, dachte Marco. Seine Muskeln taten beim Klettern weh; aus jeder Wunde fuhr stechender Schmerz durch seinen Körper. Ich fühle mich nämlich genauso.
Als ob ich von einem Lkw überfahren worden wäre.
10 . 4
Marco regte sich in der Dunkelheit. Sein Kopf lag unbequem auf einer gesteppten Wolldecke. Die hatte er gefunden, als er noch einmal zurück zum Lkw gegangen war, um sich mit weiteren Vorräten einzudecken. Der Mond schien wie ein großer runder Suchscheinwerfer über ihm– als wäre er über dem Wachturm aufgehängt, auf dem er schlief. Das heißt, auf dem er zu schlafen versuchte. Er fühlte sich wie ein Gefangener in der Todeszelle, der die letzte Nacht vor der Hinrichtung verbrachte. Die hölzerne Plattform war hart und rau, und ihm fror trotz der Decke fast der Hintern ab. Die Nachtluft war kalt, und die Wolldecke, in die er sich gewickelt hatte, durch den kondensierten Atem feucht geworden. Unsichtbare Insekten schwirrten unter den Dachlatten umher und stimmten ein gespenstisches Zirpen an. Einmal spürte er sogar, wie eine Spinne ihm über den Arm krabbelte, und er geriet für einen Moment in Panik. Und jetzt juckte der Arm auch noch wie verrückt.
Wu zeichnete sich als eine stille dunkle Masse auf der Plattform ab. Vielleicht döste er, vielleicht auch nicht.
Wie er hier oben mit verkrampften Beinen und schlaflos auf dem Turm lag, erinnerte Marco sich an den Ansitz, den er fast zweitausend Kilometer entfernt auf dem Baum in Montana errichtet hatte – der Roark-Auftrag, Andrew und Joan. Wie lange war das nun schon her? Eine Woche? Er schüttelte den Kopf. Unmöglich. Er rechnete noch einmal zurück. Doch. Eine Woche.
Heilige Scheiße.
Es kam ihm wie ein ganzes Jahr vor. Er dachte an Joan Roark und fragte sich, wie es ihr wohl ging. Und wie ihre Woche gewesen war? Ob sie ihren Freunden gesagt hatte, dass Andrew tot war– wirklich tot? Vielleicht war ihr Schuldgefühl aber auch zu stark gewesen, und sie hatte sich geschämt, jemandem zu erzählen, dass sie Marco angeheuert hatte.
Er hoffte, dass sie sich nicht schämte. Er hoffte, dass es ihr gut ging.
In den entfernten Gefängnisgebäuden stieß eine Leiche ein Heulen aus– lang gezogen und traurig wie das Geheul eines einsamen Wolfs. Marco schauderte und presste das Ohr auf die Decke, um den Laut zu dämpfen. Er wollte nicht von Albträumen heimgesucht werden. Nicht in dieser Nacht.
Von Joan Roark wanderten seine Gedanken zu Benjamin. Wie mochte Ben es wohl ergangen sein, der in seinem Haus in Pittsburgh Owen Osbourne als ungebetenen Gast hatte? Und die Riesenbabys vom Heimatschutz? Armer Ben. Wurde von diesen Arschlöchern in seinem eigenen Haus herumgeschubst. Osbourne fraß ihm den Kühlschrank leer und schiss in seine Toilette.
Marco zuckte zusammen. Osbourne hatte damit gedroht, Benjamin zu töten.
Bitte, sagte er sich. Hoffentlich geht es Ben auch gut.
Der Schrei aus dem Gefängnis verstummte, und die Leiche fiel wieder in die Leere zurück oder was auch immer die Nacht für sie bereithielt. Ob die Toten träumen?, fragte Marco sich. War das möglich? Glich eine auferstandene Leiche einem Schlafwandler, der wie in Trance eine Szene aus seinem ruhelosen Unterbewusstsein nachstellte? Ein niemals enden wollender Albtraum von einem Schlachtfest…
Marcos linker Arm war unter dem Oberkörper eingeklemmt gewesen und kribbelte nun; er drehte sich auf die andere Seite und spürte, wie der Blutfluss wieder in Gang kam. Das Holz war verdammt hart. Er freute sich schon darauf, sich morgen die Beine zu vertreten.
Nun drangen noch mehr stöhnende Geräusche aus dem Gefängnis– lauter diesmal. Das ganze Rudel stimmte mit ein.
Diese schrecklichen, gequälten Stimmen…
Ob eine von ihnen Roger gehörte?
Seufzend schloss Marco die Augen. Er stellte sich das Gefängnis aus der Vogelperspektive vor, so wie die Geier es sahen. Das war also aus ihm geworden– ein Geier, der sich über die Toten hermachen wollte. Suche Roger, stoße hinab und schieß ihm eine Kugel in sein verrottetes Gehirn.
Doch was, wenn er ihn nicht finden konnte? Was, wenn Ballard sich überhaupt nicht mehr in diesem Höllenloch befand und alle Anstrengungen hierherzugelangen, völlig umsonst gewesen waren? Bei dieser Vorstellung überkam Marco eine starke innere Unruhe. Wo sollen wir es dann als Nächstes versuchen? Mein Gott, ich weiß es nicht. Im Cedars-Sinai?
Er dachte
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