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Return Man: Roman (German Edition)

Return Man: Roman (German Edition)

Titel: Return Man: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.M. Zito
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immer vor dem medizinischen Kühlschrank kauerte. Er flüsterte mit dieser nervigen leisen Stimme vor sich hin, in der genuschelten Geheimsprache, an die Marco sich aus seinen letzten Tagen im Krankenhaus erinnerte. Roger Ballard– der intelligenteste Mensch, dem Marco je begegnet war und der nun auf diese plappernde, verrückte, erbärmliche Gestalt reduziert worden war.
    Es tut mir leid, Roger.
    Der Gedanke wurde in Marcos Bewusstsein aufgedeckt wie ein Karte bei einem erstaunlichen und eigentlich unmöglichen Zaubertrick. Doch er war unbestreitbar da. Es tut mir leid. Es tut mir leid, dass das geschehen ist.
    Für mich, für dich. Für Hannah. Für Danielle. Für uns alle.
    Vier miteinander verknüpfte Leben– eine Kettenreaktion, ausgelöst durch ein und denselben Katalysator, ein einziger Funke, der vier Infernos entfacht hatte. Und Hannahs Geburtsasphyxie war die schreckliche Bürde, die ihnen allen auferlegt worden war. Sie waren wie Packtiere, jeder von ihnen– überladen, überanstrengt. Und obwohl sie sich tapfer geschlagen hatten, waren sie dann doch zusammengebrochen mit hervorquellenden Augen und heraushängenden Zungen in den Staub gesunken. Hannah war als Erste gefallen. Dann Marco und Danielle.
    Und jetzt Roger. Sie hatten alle ihr Bestes gegeben– und waren gescheitert.
    Wie er Roger nun sah, so gebrochen und elend, erlebte Marco plötzlich einen emotionalen Dammbruch. Er wurde von einer Woge der Empathie mitgerissen, und seine Liebe zu Hannah und Danielle blähte sich wie eine durch Benzin genährte Flamme zu einem Feuerball auf, der sich immer weiter ausdehnte, bis er schließlich auch Ballard einhüllte. Er liebte Roger, liebte ihn, weil er litt, weil er sich selbst zerstörte, weil er in dieser beschissenen Hölle, in die er sich selbst verbannt hatte, um Hannah trauerte. Eine Spiegelkabinett-Version von mir. Mit diesen Worten hatte Marco Roger einmal beschrieben, und es stimmte auch. Roger war wie ein Fortsatz von ihm– ein trauriges, verrücktes und besessenes Zerrbild, das unbedingt wissen wollte, warum das schiefgegangen war.
    Er konnte Roger das verzeihen.
    » Roger«, sagte Marco mit heiserer Stimme. » Roger, wir müssen von hier verschwinden.«
    Doch Ballard reagierte nicht. Im Kühlschrank trat die Leiche wieder gegen die Tür; Ballard tätschelte das Glas wie ein Vater, der sein Kind beruhigte.
    Marco warf Wu einen Blick zu und runzelte die Stirn. Der Sergeant schien irgendwie verändert. Sein Gesicht wirkte… härter, die Wangenknochen traten noch stärker hervor, und das Kinn war nach vorne gereckt. Die Temperatur in seinen Augen war gefallen– sie waren wieder so kalt wie an jenem ersten Morgen in Maricopa.
    Davon unbeeindruckt richtete Marco die Aufmerksamkeit wieder auf Ballard. » Roger.«
    Ballard ignorierte ihn.
    Marco ging langsam auf ihn zu und stellte sich neben seinen alten Freund. » Roger, du hast hier großartige Arbeit geleistet«, sagte er mit ruhiger und aufmunternder Stimme.
    Ballards Murmeln erstarb mitten im Wort, und er schien aus einem tiefen Keller in seinem Inneren emporzusteigen und mit unsicherem Gang und blinzelnd wieder ans Tageslicht zu kommen. Er setzte die Brille ab und putzte die Gläser mit der Krawatte. Dann sah er Marco an. Seine tief in den Höhlen liegenden Augen waren leicht unfokussiert. » Sauerstoff, Henry«, sagte er mit schwacher Stimme. » Das Problem ist Sauer…«
    » Ich weiß, Roger. Du wirst das auch lösen, aber nicht hier. Wir müssen gehen.« Nervös warf Marco einen Blick auf den flackernden Überwachungsbildschirm. Im Gang zur Krankenstation probten die Leichen noch immer den Aufstand; die Leiber stauten sich dicht gedrängt an der Gittertür. Ihm sank der Mut. Es würde schwierig werden, von hier zu entkommen. » Gibt es noch einen anderen Weg?«, fragte er Ballard.
    » Henry.« Ballards schiefe Lippe zuckte. » Hast du mir verziehen?«
    Marco verspannte sich überrascht, hatte Angst vor der Antwort. Und dann glühten seine Wangen.
    » Ja«, sagte er. Das Wort entfuhr ihm wie ein wunderschöner Luftschweif– ein Atemhauch, von dem er plötzlich spürte, dass er ihn Minuten, Monate, Jahre zurückgehalten hatte.
    Ballards angespanntes Gesicht wurde weich. Er nickte erleichtert und setzte sich die Brille wieder auf die Nase. » Das freut mich«, sagte er. » Fortschritt, Henry, ja?«
    Marco räusperte sich. » Fortschritt.«
    Die Männer sahen sich versöhnlich an.
    » Also«, sagte Marco. » Kommst du, Roger?«
    Ballard

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