Return Man: Roman (German Edition)
zwang sich, nach vorne zu schauen. Bau bloß keinen Unfall. Bau … bloß … keinen … Unfall.
Ein Polizeiauto raste mit heulenden Sirenen in Gegenrichtung an ihm vorbei. Mit grimmiger Gewissheit sagte Marco sich, dass der Beamte diesen Tag nicht überleben würde.
Schusswaffen nützen hier nichts.
Der Audi wurde von dem unangenehmen, süßlichen Geruch von Blut erfüllt; Marcos Hemd war rot verfärbt. Tommy. Der Wachmann des Cedars-Sinai-Krankenhauses. Eine tote Krankenschwester hatte Tommy tief in den Hals gebissen, als er ihr in den Oberkörper geschossen hatte– er hatte das Magazin leer geschossen, doch sie hatte immer noch nicht sterben wollen. Marco hatte ihr ein Telefonkabel um den Hals gewickelt, sie weggeschleift und Tommy in die Parkgarage gebracht. Er hatte Tommy gegen den Audi gelehnt und nach den Schlüsseln gesucht. Am Ende der Parkreihe hatte die Zufahrt zur Garage sich mit Schatten verdunkelt, während gespenstische Schreie von den Betonwänden widerhallten und die Toten von der Straße hereinströmten; und als Marco wieder nach Tommy geschaut hatte, war der auch schon eine Leiche…
Das Kunstmuseum huschte zur Linken vorbei; ausgeweidete Körper lagen mit dem Gesicht nach unten auf den marmornen Stufen. Oh Gott, oh Gott, verdammt, dachte er und riss am Lenkrad; der Audi bog schlingernd auf die Zufahrt zur I-10 ab, und Sekunden später raste er auf der Interstate in Richtung Gold Canyon. Es herrschte wenig Verkehr auf dem Highway; Marco vermutete, dass er am Rand einer tödlichen Schockwelle entlangfuhr, die sich von der Innenstadt nach außen ausbreitete. Die Vorstädte im Umland waren noch nicht betroffen. Aber trotzdem. Gib Gas und verschaffe dir einen Vorsprung, sagte er sich. Nur so groß, dass du nach Hause zu Danielle kommst.
Er hatte versucht, sie vom Büro aus anzurufen– zweimal am Morgen und dann noch einmal vor zwanzig Minuten in einem letzten verzweifelten Versuch, sie zu erreichen. Das Telefon klingelte und klingelte, er hielt den Hörer in der verschwitzten Hand und musste sich zwingen, nicht wieder aufzulegen. Er ließ es auch noch klingeln, als er schon Schreie und hastige Schritte auf dem Gang hörte, die immer näher kamen, aber er konnte doch nicht auflegen, er musste sie warnen, und als er sich gerade sagte, dass er beim nächsten Klingeln durchdrehen würde, platzten der Wachmann Tommy und die kannibalische Krankenschwester kreischend und sich balgend bei ihm herein, und er versuchte, Tommy zu retten.
Danielle, bitte, dachte er nun im Auto. Bitte sei in Sicherheit.
Wenn er nur ein Handy gehabt hätte.
Ha. Das ist lustig. Ich werde es Danielle erzählen, wenn ich nach Hause komme, sie wird lachen, wir beide werden lachen, aber bitte, Delle, sei in Sicherheit … sei sicher, sei sicher, sei sicher.
» Scheiße!«, brüllte er und schrie sich frustriert die Kehle heiser.
Auf dem Instrumentenbrett hatte die Tachometernadel sich inzwischen bei hundertachtzig Stundenkilometern eingependelt. Marco trat das Gaspedal bis zum Boden durch. Der Audi raste im Slalom über alle Fahrspuren und quetschte sich in die Lücken zwischen langsameren Fahrzeugen. Die Superstition Mountains ragten in der Ferne auf. Sie wirkten verschwommen und unwirklich– wie der Thron eines mythologischen Königs, der Gott einer dem Untergang geweihten Traumlandschaft–, und wenn Marco jemals aus einem Albtraum hatte erwachen wollen, dann war jetzt verdammt noch mal der richtige Zeitpunkt dafür.
Und dann verließ er den Highway und raste zum Gold Canyon, in sein Wohnviertel, seine Straße. Das eiserne Tor vor der Zufahrt brauchte eine halbe Ewigkeit, um sich zu öffnen; er drückte zehnmal auf die Taste der Fernbedienung, als ob er den Abzug eines Schnellfeuergewehrs betätigte, bevor er endlich wieder Gas geben konnte. Der Audi fuhr schon los, obwohl das Tor sich noch nicht ganz geöffnet hatte, und mit einem lauten Knacken wurde der Außenspiegel abgerissen. Die Reifen rollten ratternd über das Kopfsteinpflaster, und der Geruch von verbranntem Öl stieg ihm in die Nase.
Auf dem Wendekreis bremste er abrupt ab.
Danielles Auto war nicht da.
Er schaute blinzelnd auf den leeren Stellplatz, wo sie normalerweise parkte, als hätte er sich vielleicht getäuscht, als wäre ihr Auto doch hier und seine Augen unterlägen einer optischen Täuschung. Aber nein. Das Auto war wirklich nicht da. Es mochte hundert harmlose Erklärungen dafür geben– und doch hatte er plötzlich ein ausgesprochen flaues
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