Return Man: Roman (German Edition)
Gefühl im Magen.
Oh Gott …
Und dann rannte er zur Tür, ohne sich noch daran zu erinnern, dass er den Audi vor dem Haus abgestellt hatte. Das Einzige, was er überhaupt noch wahrnahm, war der hektisch klirrende Schlüsselbund in seiner Hand.
Er platzte ins Foyer. » Delle!«
Seine Stimme hallte von den Stuckwänden und der hohen Decke wider.
Keine Antwort.
Er rief noch einmal das Treppenhaus hinauf und rannte ins Wohnzimmer in der bangen Erwartung, ihren verstümmelten Körper auf dem Hartholzboden liegen zu sehen. Aber nichts. Keine zerbrochenen Fensterscheiben, keine Pfützen aus Blut. Das Mobiliar war unversehrt. Es war zur Haustür ausgerichtet, damit das Chi ungehindert fließen konnte; Danielle hatte während ihres ersten Monats im Haus eigens einen Feng-Shui-Berater engagiert. Marco trampelte in einer Aufwallung negativer Emotionen durch den Raum und brüllte ihren Namen.
» Delle!«
Er sah sich im Spiegel im Flur– die Augen schreckgeweitet, Gesicht und Hals mit Tommys blutigen Handabdrücken übersät, das Hemd rot und feucht wie eine Metzgerschürze. Er erschrak vor seinem eigenen Anblick und ging in die Küche. Sie war leer. Die Hintertür geschlossen, die Glasscheibe intakt. Sauberes Geschirr stapelte sich auf einem Handtuch neben der Edelstahlspüle. Die Arbeitsplatte…
Die Arbeitsplatte.
Ein blauer Zettel lag auf der Kücheninsel, exakt in der Mitte des Mosaiks aus orangefarbenen, ockerfarbenen und braunen Kacheln. Eine Nachricht.
Er schnappte sich den Zettel.
Henry, hatte Danielle in ihrer zarten Handschrift darauf geschrieben. Mit purpurfarbener Tinte und leichtem Federstrich.
Ich muss hier raus.
Er runzelte die Stirn und las es noch einmal. Doch er wusste jetzt schon, was diese Worte bedeuten, was diese Nachricht ihm sagen sollte; sie musste sie an jenem Morgen geschrieben haben, als die Welt noch in Ordnung war– und sein erster Impuls war, den Zettel zu zerknüllen und auf den Küchenboden zu werfen, bevor die Nachricht ihn zerstörte, bevor sie ihn zerriss, ihn auf eine grausamere Art und Weise tötete, als irgendein toter Kannibale es je vermocht hätte…
Seine Hände zitterten unkontrollierbar. Das Papier raschelte. Er las die Nachricht:
Henry,
ich muss hier raus. Ich liebe dich – ja, wirklich, aber es wird mir alles zu viel, und ich halte es hier nicht mehr aus. Ich weiß, du wirst sagen, dass zwischen uns wieder alles in Ordnung kommt, aber das wird es eben nicht. Ich kann deine Stimme hören, selbst während ich diese Zeilen schreibe. Wie du zu mir sagst: » Gib uns noch etwas Zeit. Mit der Zeit wird es wieder besser.« Aber du suchst schon wieder nach Ausflüchten. Du suchst doch immer nur nach Ausflüchten, Henry. Ich liebe dich, aber ich hasse dich, wenn du nach Ausflüchten suchst. Das ist nicht fair mir gegenüber, und es ist auch nicht fair Hannah gegenüber.
Du sagst, ich solle uns noch Zeit geben. Doch wann wird sie wieder zu uns zurückkommen? Niemals natürlich. Und ich weiß, dass du, schon während du das liest, nach Ausflüchten suchst. War es dir unangenehm, wenn ich sie erwähnt habe? Das hat dir nicht gefallen, da bin ich mir sicher. Du hast nie über sie sprechen wollen. Aber ich musste über sie sprechen.
Ich kann einfach nicht so sein wie du. Ich habe es versucht, ich versichere dir, ich habe es wirklich versucht. Das Problem ist, ich liebe dich von ganzem Herzen, aber ich glaube, dass ich sie noch mehr liebe, und ich muss mich nun für sie entscheiden, weil du es nicht zulassen wirst, dass sie hier bei uns lebt. Du hast das nie begriffen. Ich habe das Gefühl, dass ich mit ihr gestorben bin, Henry. Das wirst du wahrscheinlich auch nicht gern hören. Aber sie war ein Teil von mir. Wieso habe ich dir das denn nie begreiflich machen können?
Ich muss gehen. Ich weiß nicht, ob es für immer sein wird, aber fürs Erste muss ich hier raus. Es tut mir leid. Wir haben es versucht, und ich weiß auch, dass wir beide unser Bestes gegeben haben, aber wir waren eben nicht stark genug.
Ich möchte aber nicht, dass du dir Sorgen machst. Ich bin bei Trish, falls du …
Der Brief ging noch weiter, aber er hörte auf zu lesen. Trish. Ihre Schwester.
Mit einem Schrei stopfte er sich den Zettel in die Tasche, rannte zum Telefon und tippte hektisch auf die Tasten, als ob er eine Bombe entschärfte.
Es klingelte zweimal… dreimal…
Benjamin meldete sich. » Hallo?«, sagte er mit zitternder Stimme und halb im Flüsterton.
» Ben! Ist Danielle da?«
»
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