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Return Man: Roman (German Edition)

Return Man: Roman (German Edition)

Titel: Return Man: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.M. Zito
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dumm«, murmelte er, und Marco hatte das Gefühl, dass Wu vielleicht sich selbst damit meinte. Schweiß tropfte aus dem verfilzten schwarzen Haar des Mannes.
    » Wu«, sagte Marco eindringlich. Die Schreie der Toten wurden immer lauter. » Wir müssen von hier verschwinden.«
    Wu stieß ein Lachen aus– ein seltsames Geräusch, das belustigt und gequält zugleich klang. » Ich werde ganz bestimmt verschwinden, Doktor.« Er richtete die Pistole wieder auf Marco. Er krümmte den Finger um den Abzug.
    » Aber ohne Sie«, sagte er.
    12 . 7
    Marco hatte den Eindruck, dass der rote Laserpunkt auf seiner Brust zur Größe eines Basketballs anschwoll. Er spannte in Erwartung des stechenden Schmerzes, den er verspüren würde, wenn die Kugel das Brustbein zerschmetterte und ihm das Herz zerfetzte, die Brustmuskulatur an. Voller Verzweiflung versuchte er, die Entfernung zu Wu abzuschätzen, und überlegte, wie viele Schritte er bräuchte, um ihn zu erreichen. Es waren mindestens zweieinhalb Meter– zu viel, um ihn anzuspringen und ihm die Waffe zu entreißen. Er würde mitten im Sprung erschossen werden.
    Wu beherrschte die Mitte des Labors. Er war eine imposante, muskulöse Erscheinung. Durch den blutgetränkten Verband um den mächtigen linken Bizeps wirkte er sogar noch stärker, geradezu unbezwingbar. Er hielt die M9 in festem Griff– mit eindeutiger Tötungsabsicht. Sein Gesichtsausdruck war völlig leer, und er schien ein ganz anderer Mensch zu sein, wenn man bedachte, welche Gefühle er in der Kapelle in Hemet gezeigt hatte.
    Wir waren damals … fast schon Freunde, dachte Marco verzagt.
    Doch nun war da nichts mehr– nichts mehr zwischen ihnen außer einem mechanischen Starren. Der Verrat hätte Marco eigentlich ärgern müssen– er hätte sich empören und vom Wunsch beseelt sein müssen, Wu den Schädel einzuschlagen und sein hinterlistiges Hirn zu Mus zu verarbeiten. Und doch war das alles so… logisch, dachte er. Es hatte überhaupt nichts mit ihm zu tun. Wu tat einfach nur das, wozu er ausgebildet worden war.
    Ich bin schon tot, sagte Marco sich. Er nahm diesen Gedanken mit einer eigentümlichen Gelassenheit hin, beinahe schicksalergeben– als wäre der Tod eine Wahl, die er nicht selbst treffen konnte, und er wäre irgendwie froh, dass nach diesem ganzen Elend ein anderer diese Entscheidung für ihn traf…
    Schwachsinn, schalt er sich und wurde wieder klar im Kopf. Fast hätte er sich selbst aufgegeben, aber Scheiße, fick dich, Wu, ich dachte, wir wären ein Team … und fick dich, Osbourne und fick dich Gott …
    » Geh du nicht sanft in jene Gute Nacht« und dieser ganze Scheiß, du kannst mich zwar töten, aber ich muss das nicht akzeptieren, ich muss nicht so tun, als ob das in Ordnung wäre …
    …und endlich überkam ihn der Zorn, den er so dringend brauchte– spät, aber besser spät als nie…
    Und du, Danielle, fick dich auch. Es tut mir leid, es tut mir leid, Delle, aber fick dich auch, ich hätte dich gebraucht.
    …und er entflammte in heißem Zorn, und Tränen brannten wie loderndes Benzin auf den Wangen und am Kinn.
    » Sie haben mich gewarnt, Wu«, sagte er mit trockenem Mund. Ein bitteres Lächeln spielte um seine Lippen. » Sie sind nichts anderes als ein Killer, nicht wahr? Nun machen Sie schon und beweisen Sie es.«
    Wu zögerte. Ganz kurz, nur einen Moment lang, zuckten seine Mundwinkel, und seine Augen flackerten in einem Ausdruck der Trauer. Er blinzelte– sein Finger krümmte sich um den Abzug, der Lauf schwankte–, er blinzelte noch einmal, und seine Augen waren wieder so kalt wie Smaragde.
    » Zhongguo«, sagte er fast flüsternd wie ein Geist. » Für China.«
    Die Waffe stabilisierte sich, und Marco rüstete sich für den Schuss. Er konnte das Ganze noch immer nicht glauben. Sein Blick begegnete Wus mit einer intensiven, durchdringenden Endgültigkeit– als könnte er im letzten Moment ins Innere des Mannes sehen und ihn enträtseln, den wahren Wu kennenlernen, bevor die Pistole losging und die Lichter ausgingen…
    Wus Finger verharrte in seiner momentanen Position; der Augenblick zog sich quälend in die Länge, und Marco stockte der Atem.
    Und dann senkte die Waffe sich. Der rote Punkt berührte den Boden.
    Wu schüttelte langsam und bedächtig den Kopf.
    » Nein«, sagte er. » Das werde ich nicht tun.«
    Zweieinhalb Meter von ihm entfernt wartete Marco in perplexem Schweigen. Er kniete wie angewurzelt da– hatte Angst, sich zu bewegen, zu atmen, ein Wort zu

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