Return Man: Roman (German Edition)
wieder ruhig und vermittelte Zuversicht; Marco hatte das Gefühl, ein Vater spräche mit seinem Kind. » Er ist vielleicht schon verschwunden, wie Sie vermutet hatten. Emotionale Geografie, stimmt’s?«
» Nicht, wenn er dort drin gefangen ist. In einem Gefängnis.«
» Die ganze Einrichtung war zum Schluss so löchrig wie ein Schweizer Käse, und in der Gefängnismauer klaffte ein großes Loch. Er hätte leicht entkommen können. Und wenn nicht, dann sollten Sie sich nicht unter Wert verkaufen, Doktor Marco. Sie haben doch schon jahrelang da draußen überlebt. Sie müssen doch ein paar Tricks parat haben, Millionen Leichen aus dem Weg zu gehen. Oder zumindest großes Glück. Wie dem auch sei, Sie haben die Erfahrung, über die wir zugegebenermaßen nicht verfügen.«
» Ja, ich bin ein echter Experte.«
Osbourne zuckte die Achseln. » Sie werden natürlich Hilfe bekommen.«
Marco hielt mitten im Atemzug inne. » Hilfe? Von wem denn?«
» Militär, Doktor Marco. Spezialkräfte, die AAE – Anti- Auferstehungs -Einheit. Während wir miteinander sprechen, halte ich ein paar Kilometer von Ihrem Anwesen ein Team in sicherer Position in Bereitschaft. Es hat Anweisungen, Sie morgen abzuholen und nach Sarsgard zu eskortieren. Sie haben das Anwesen schon seit einer Woche observiert und auf Ihre Rückkehr gewartet.«
Hurensohn, dachte Marco. Mit gerunzelter Stirn kniff er sich in das lädierte linke Ohrläppchen mit der alten Hundebissnarbe, bis er sich bewusst wurde, dass Osbourne ihn beobachtete. Er nahm die Hand wieder herunter. Wollte man ihm eine Falle stellen? War das vielleicht irgendein Trick? Um ihn auf dem falschen Fuß zu erwischen, zu überrumpeln und in Gewahrsam zu nehmen? Er bezweifelte zwar, dass er diesen Aufwand wert war, aber trotzdem…
» Ich brauche keine Hilfe«, sagte er.
» Das ist nicht verhandelbar«, konstatierte Osbourne ungerührt. » Sie werden mit Ihnen gehen.«
» Sie werden ohne mich gehen. Weil ich den Auftrag nämlich nicht annehme.«
» Unsinn«, sagte Osbourne spöttisch. » Sie sind die Schlüsselfigur.«
» Und wieso bilden Sie sich das ein?«
» Falls Ballard sich nicht mehr in diesem Gefängnis befindet, dann kommt es tatsächlich auf Sie an. Roger Ballard hat zurückgezogen gelebt; es ist uns nicht bekannt, dass er Familie oder Freunde gehabt hätte. Aus meinen Quellen geht hervor, dass Sie sein engster Bekannter waren. Falls seine Leiche entkommen und zu einem Ort gewandert ist, der eine persönliche Bedeutung hat, dann werden wir uns von Ihren Einsichten bezüglich seines Wesens leiten lassen.«
Marco lachte. » Glauben Sie wirklich, ich hätte irgendwelche Einsichten in Roger? Dann haben Sie wirklich gar keine Ahnung.«
» Mein Reden, Doktor. Ich brauche Sie, um die Ballard-Leiche zu finden. Falls Sie Bedenken wegen der persönlichen Note des Auftrags haben– Sie müssen den Abzug nicht selbst betätigen. Die AAE wird sich um alles Weitere kümmern, sobald Ballard gefunden wurde.«
» Aber Sie wollen mir nicht den Grund nennen.«
Osbourne saß reglos wie eine Statue da. Selbst die Lippen bewegten sich kaum. » Nein.«
» Ich verstehe das nicht…«, sagte Marco. » Ich verstehe nicht, weshalb Sie so erpicht darauf sind, dass Roger zurückgegeben wird. Und bei Dingen, die ich nicht verstehe, werde ich immer nervös.« Er schüttelte den Kopf. » Ich lehne Ihr Angebot ab.«
Es trat eine Pause ein. Dann wurde Marco von Benjamins körperloser Stimme aufgeschreckt. Er hatte ganz vergessen, dass Ben auch noch da war und alles mit anhörte. » Marco, überleg doch mal…«
Osbourne fiel ihm ins Wort. » Mr. Ostroff«, sagte er streng und hob einen Finger, ohne auch nur den Kopf zu drehen. Sein Blick blieb auf Marco gerichtet.
Marco hörte ein Murmeln im Hintergrund.
» Doktor Marco«, fuhr Osbourne fort, » damit wir uns auch richtig verstehen: Sie hatten damals den Evakuierungsbefehl missachtet und haben deshalb die Staatsbürgerschaft der Vereinigten Staaten verwirkt. Und Ihre Geschäftstätigkeit mit Mr. Ostroff über die Sichere Grenze hinweg verstößt auch gegen das Handelssicherheitsgesetz, wodurch Sie formal gesehen zum Terroristen werden und Mr. Ostroff zum Verräter. Es liegt im Rahmen meiner offiziellen Befugnisse, Mr. Ostroff zu inhaftieren– oder meiner inoffiziellen, ihn einfach verschwinden zu lassen. Trotzdem habe ich mich für eine freundlichere Option entschieden, weil ich nämlich den Wert Ihrer Dienste erkenne. Und nicht nur für mich und in
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