Return Man: Roman (German Edition)
Häftling mit einem großen tätowierten Kopf und einem Augapfel, der ihm fast bis auf die Wange herunterhing. Durch den Schlag wurde der Leiche der Unterkiefer abgerissen, aber das hatte keine tödliche Wirkung; Zähne und eine schwarze Flüssigkeit quollen aus der Wunde, während die Leiche den Soldaten mit zwei mächtigen Händen packte.
Die Leiche drückte den zappelnden Mann an die Brust und wollte ihm ins Gesicht beißen; die Schneidezähne glitten an der Plexiglasmaske ab, aber der Soldat war dennoch zum Tode verurteilt. Nach ein paar Sekunden fielen auch die anderen Leichen über ihn her, umringten ihn und zerrten an Armen und Beinen. Marco zuckte zusammen, als ein langhaariger nackter Häftling mit muskelbepackten Schultern dem Soldaten einen wuchtigen Hieb gegen den ungeschützten Nacken versetzte. Blut spritzte und benetzte den Mob.
» Wir hatten ziemlich hohe Verluste erlitten«, sagte Osbourne. » Wir haben allerdings Konsequenzen daraus gezogen. Unter anderem dient diese spezielle Evakuierung uns nun als ein Negativbeispiel bei Einsatzübungen. Der Schwerpunkt liegt nun auf dem sparsamen Umgang mit Munition. › Ein Kopf, eine Kugel‹, so lautet die neue Devise.«
Marco antwortete nicht. Er verfolgte, wie Roger Ballard und der andere Soldat die Galerie entlangrannten und an Zellentüren rüttelten– in der Hoffnung, eine Tür zu finden, hinter der sie sich einschließen konnten. Aber sie hatten kein Glück. Die Türen waren in der geöffneten Stellung verriegelt.
Die Leichenmassen nahmen sie von beiden Seiten in die Zange. Sie waren nur noch ein paar Meter voneinander entfernt. Voller Entsetzen hielt der Soldat seine Waffe mit ausgestreckten Armen vor sich, als könnte er den Angriff so noch abwehren.
Ballards Lippen bewegten sich; er rief dem Soldaten etwas zu. Der Mann antwortete nicht.
Ballard rief noch einmal und stürmte zum Geländer der Galerie. Hundert graue, angefaulte Hände griffen nach ihm, als er mit einem kräftigen Beinschwung über die Galerie flankte; die Füße waren nach oben gestreckt, und die weißen Hemdzipfel flatterten wie ein Schwalbenschwanz in der Luft.
Dann war er weg. Verschwunden.
Die Fallhöhe musste um die zehn Meter betragen haben. Wo auch immer er auf dem Betonboden aufgeschlagen war– noch lebendig oder alle Knochen im Leib gebrochen–, er war aus dem Erfassungsbereich der Kamera verschwunden.
Der einsame Soldat starrte auf das Geländer, über das Ballard sich geschwungen hatte. Der Mann schob unschlüssig die Schultern nach vorn, zog sie zurück und schob sie dann wieder nach vorn. Als er schließlich eine Entscheidung traf, war es schon zu spät für ihn. Er setzte gerade zum Sprung über das Geländer an, da drangen die Leichen von links und rechts auf ihn ein und packten ihn. Ihre Übermacht war so erdrückend, dass er sich nicht mehr rühren konnte. Er stand unbeweglich da, als wäre er in einen Schraubstock eingespannt worden. Sein schreiendes Gesicht war hinter der Maske verborgen, während sein Körper von wild schnappenden Zähnen und klauenartigen Fingernägeln zerrissen wurde. Uniform- und Hautfetzen regneten wie Konfetti über die Monster. Blut spritzte wie eine Fontäne.
Und Leichen– sie waren nun überall, auf jeder Galerie. Sie hatten sich in kurzer Zeit um ein paar Hundert vermehrt, und nun stürmten sie blutverschmiert und im Mordrausch den Innenhof.
Eine Gefängnisrevolte nach dem Vorbild von Dantes Inferno.
Marco schauderte. Dann verschwand das Video gnädigerweise vom Bildschirm. Es erschien wieder Osbournes hässliches Gesicht, das im Vergleich zu diesen Bildern aber geradezu ästhetisch wirkte.
» Rufen Sie mich an, wenn Sie dort angekommen sind«, sagte Osbourne.
3 . 4
Die Sonne war hinter Marco am Himmel weitergewandert. Sie fiel nun durch ein anderes Fenster in sein Arbeitszimmer und warf Reflexe auf den Computerbildschirm. Die untere Hälfte von Osbournes Gesicht war jetzt im hellen Licht nicht mehr klar zu sehen. Nur die auf Marco gerichteten Augen waren noch deutlich zu erkennen. Marco erwiderte den Blick. Das Arschloch wollte ihn bloß provozieren.
Ein paar Sekunden vergingen. Dann schniefte Marco, um seine Nase freizubekommen. » Danke für den netten Film«, sagte er. » Aber was veranlasst Sie überhaupt zu der Annahme, dass ich das schaffe? Wenn nicht einmal eine ganze Evakuierungstruppe von dort entkommen konnte?«
» Zum einen ist Doktor Ballard vielleicht gar nicht mehr dort«, sagte Osbourne. Seine Stimme war
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