Return Man: Roman (German Edition)
nachmittags zeigte das Thermometer am Armaturenbrett eine Außentemperatur von deutlich über vierzig Grad an, und selbst mit offenen Fenstern und der auf Hochtouren arbeitenden Klimaanlage war es stickig im Jeep. In der schweißtreibenden Atmosphäre schwang zudem eine unausgesprochene Besorgnis mit. Die Sonne brannte unerbittlich vom Himmel; sie stach durch die Frontscheibe und brandete wie eine heiße Woge gegen Marcos Stirn an.
Vor dem Jeep huschte ein gefleckter Leguan über die Gleise und verschwand in einem roten Geröllhaufen. Wu drehte den Kopf und folgte dem Tier mit dem Blick.
» Das wäre eine gute Mahlzeit gewesen«, bemerkte er. » Wie sieht es mit Ihrer Verpflegung aus?«
Marco wies auf den Rücksitz. » Trockenfleisch, Wasser und Einmannpackungen, die ich in verlassenen Armee-Lkw gefunden habe– für mich mehr als genug. Ich werde aber gern mit Ihnen teilen, obwohl ich nicht mit einem Gast zum Abendessen gerechnet habe.«
» Ich bin nicht auf Ihre Hilfe angewiesen.« Es schwang unüberhörbare Herablassung in der Stimme des Soldaten mit.
Das ärgerte Marco. Na schön, du Arschloch. Dann fang dir eben einen beschissenen Leguan.
Wu schien überhaupt nicht bemerkt zu haben, dass er Marco gerade beleidigt hatte. Er wandte den Blick vom Fenster ab und riss den Kopf erst nach links und dann nach rechts herum, sodass die Halswirbel knackten. » Wo sind wir jetzt?«, fragte er.
Verdrießlich richtete Marco die Aufmerksamkeit wieder auf die Gleise. In der Ferne schienen die Schienen sich in der heißen Wüste zu verzerren und mit der flirrenden Luft zu verschmelzen. Beim Blick aus dem Fenster sah er zur Linken kilometerlange geriffelte Sanddünen und Saguaro-Kakteen, die höher aufragten als Telefonmasten. Am Horizont erhoben sich die Gila Mountains mit einer Reihe zerklüfteter Gipfel.
Sie hatten Gila Bend Station vor etwa einer Stunde passiert. Marco hatte den Betonbahnsteig argwöhnisch beäugt, doch zu seiner Erleichterung war nichts unter der Bahnsteigkante hervorgekrochen, um sie abzufangen, und der Jeep fuhr ohne besondere Vorkommnisse daran vorbei.
» Wahrscheinlich schon in der Nähe von Yuma«, mutmaßte er.
Er hatte die Route bereits mit Wu geplant; ein paar Kilometer hinter Maricopa hatte er das Handschuhfach geöffnet und seine Sammlung von Eisenbahn-Streckenkarten herausgeholt. Er hatte Wu den dicken, mit Gummibändern umwickelten Stapel gegeben und auf eine verknickte gelbe Broschüre ganz oben gedeutet.
SUNSET LIMITED stand darauf. Das war die Amtrak-Linie, die in westlicher Richtung nach Yuma verlief und dann über die Grenze von Arizona bis nach Kalifornien. Marco hatte Wu die Stelle gezeigt, wo sie kurz hinter San Bernardino die Gleise verlassen und die letzten Kilometer bis nach Sarsgard wieder auf der Straße zurücklegen würden.
Wu hatte die Karte flüchtig studiert. » Einverstanden«, war sein einziger Kommentar. Allerdings in einem Ton, in dem mitschwang, dass er eine andere Route gewählt hätte, wenn man ihn früher gefragt hätte. Er legte den Stapel wieder ins Handschuhfach und schloss die Klappe.
Die weitere Fahrt war überwiegend schweigend verlaufen. Marco wusste immer noch nicht so recht, was er von Wu halten sollte. Der Sergeant hatte kaum ein Wort gesprochen, seit sie Maricopa verlassen hatten, und sich stattdessen damit beschäftigt, Marcos überall verstreute Ausrüstung wieder einzusammeln. » Ihre Waffe«, hatte er einmal süffisant gesagt, sich gebückt und die vermisste Glock zwischen den Sitzen hervorgezogen; dann hatte er die Pistole ins Holster gesteckt, das Marco um die Kopfstütze des Fahrersitzes gehängt hatte. Anschließend hatte er wie in Trance stur geradeaus durch die Frontscheibe geschaut, während sie Kilometer um Kilometer abspulten– er hatte den Rücken durchgedrückt, die Hände auf die Knie gelegt und tief durch geblähte Nasenlöcher eingeatmet. Auf dem Rücksitz lag sein ramponierter, verschmutzter Armeerucksack, dem bereits ein Schulterriemen fehlte. An der Seite waren zwei martialisch aussehende Messer befestigt; sie waren sichelförmig und hatten einen Griff in der Mitte.
» Coole Messer«, sagte Marco. » Das ist aber sicher keine Standard-Armeeausrüstung.«
» Das sind meine eigenen«, sagte der Sergeant, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. » Hier draußen können wir unsere Bewaffnung selbst zusammenstellen.« Er presste die Lippen fest zusammen und gab Marco damit zu verstehen, dass er an einer Fortsetzung des Gesprächs
Weitere Kostenlose Bücher