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Return Man: Roman (German Edition)

Return Man: Roman (German Edition)

Titel: Return Man: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.M. Zito
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Zeigefinger eine Pistole, hielt sich die imaginäre Waffe an die Schläfe und drückte ab. » Peng«, sagte er und veranschaulichte mit gespreizten Fingern, wie sein Schädel explodierte. » Schlechte Neuigkeiten. Ich habe Wu erschossen.«
    Marco verzog das Gesicht und spürte, wie sein Magen sich verkrampfte. Wu ist tot. Der Gedanke schnürte ihn wie eine weitere stählerne Fessel ein, so fest wie die Handschellen um seine zitternden Arme. Er war nun allein. Es gab keinen Ausweg mehr. Wu ist tot, und ich bin im Arsch.
    Er verspürte ein dumpfes Gefühl der Trauer; so zwiespältig sein Verhältnis zu Wu auch gewesen war, er war es leid, verdammt noch mal leid, dass Leute um ihn herum starben.
    Noch immer lächelnd griff der bärtige Soldat an den Gürtel. Er nahm einen Schlüsselanhänger vom Karabinerhaken und ließ ihn theatralisch ein paar Zentimeter vor Marcos Gesicht baumeln. Ein kleines schwarzes Kästchen hing vor Marcos Nasenspitze. Es war so eine Art Funkfernbedienung mit einer runden roten Taste in der Mitte. Nachdem der Soldat sich davon überzeugt hatte, dass Marco das Ding auch gesehen hatte, nahm er es wieder weg und legte den Daumen auf die Taste. Die Zwischenräume seiner Fingerknöchel waren mit eingetrocknetem braunem Blut verkrustet.
    » Tschau mit Au, Wu«, sagte der Mann. Und drückte auf die Taste.
    Eine rote Leuchtdiode blinkte dreimal auf dem Kästchen.
    Eine ganze Sekunde lang schien die Wüste in stummer Erwartung den Atem anzuhalten, dann explodierte sie förmlich. Aus allen Richtungen gleichzeitig wurden Marcos Kopf Hammerschläge versetzt, und seine Trommelfelle drohten zu platzen. Er schrie schmerzerfüllt auf, als die Lokomotive wie bei einem Vulkanausbruch explodierte: Ein riesiger Feuerball breitete sich unaufhaltsam aus, als wäre die Sonne vom Himmel gefallen und wollte die Wüste verzehren. Die Lokomotive wackelte auf den Gleisen. Druckwellen rasten den Hügel herab und pressten Marco die Luft aus der Lunge, während ein mächtiger Feuerblitz durch den Himmel zuckte. Glassplitter regneten auf die Schienen. Und dann wurde es wieder still. Die geschwärzte Hülle der Lokomotive fiel auf die Erde zurück. Die Seiten waren nach außen gebogen, und schwarzer Rauch quoll aus Rissen zwischen den Stahlplatten. Flämmchen züngelten zwischen den hölzernen Schienenschwellen.
    Ein zwölf Meter langes Schrapnell.
    Und ein Sarg für Wu.
    Marco schloss fest die Augen. Sein Mund stand offen, und die malträtierten Trommelfelle vibrierten noch immer.
    Plötzlich stieß etwas mit einem klackenden Geräusch gegen seine Schneidezähne. Metall. Der Soldat hatte Marco den Lauf der Glock in den Mund gerammt. Er schmeckte nach Rauch und Öl.
    » Und jetzt wirst du mich zu Roger Ballard bringen«, sagte der Soldat. » Klar?«
    Seine blauen Augen glühten wie Gaslaternen. Er schob Marco die Waffe tiefer in den Mund, sodass es schmerzte, und krümmte den Zeigefinger.
    » Oder peng. Wie bei Wu.«
    Der Soldat lachte.

Killer
    8 . 1
    Wu presste sich flach auf den Kamm des Hügels und verschmolz förmlich mit ihm; der Hautton harmonisierte mit dem Lehm, und die Bizepsmuskeln waren hart wie Stein. Er war ein Raubtier auf der Jagd, lag mit angespannten Sinnen auf der Lauer, bevor er zum Angriff ansetzte. Das war seit jeher seine Stärke gewesen, auch schon als Junge– als er seine Brüder beim Katz-und-Maus-Spiel übertrumpfte, das sie in den unbefestigten Seitenstraßen des Dorfs in Qinghai spielten, wo er seine Kindheit verbracht hatte. Er kannte noch immer diesen Kinderreim:
    Die Kaulquappen im Ententeich
    haben Füße nicht sogleich,
    die wachsen später erst dem Tier.
    Sie geben ab ihre Kiemen dafür,
    dann verlieren sie ihr Schwänzelein,
    ich möchte nie eine Kaulquappe sein.
    Kheng Wu habe die Augen eines Kriegers, hatten die Bewohner der Stadt gesagt. Grün– die Farbe der Legende. Es war das Erbmal von Crassus’ verlorener Legion, der römischen Soldaten, die vor zweitausend Jahren in Gansu verschollen waren. Gerüchten zufolge waren sie als Söldner nach China weitergewandert und hatten auf ihrem langen Marsch exotische neue Blutlinien gezeugt. Und der junge Wu hatte bestimmt Soldatenblut in den Adern; sein Herz schlug mit der Wucht einer Kanone, und die seltenen grünen Augen funkelten, wenn er die Beute jagte und in den Schmutz warf. Er war der geborene Killer. Stark und rücksichtslos, aber nicht grausam– obwohl die Spiele immer eine Seite von ihm zum Vorschein brachten, die sonst verborgen

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