Revanche - Exposure
»Die meiste Zeit mag ich Port Flannery, denn Kleinstädte haben ein gewisses Flair«, murmelte sie. »Aber dass man so gut wie gar keine Privatsphäre hat, ist definitiv ein Manko.«
Die fehlende Privatsphäre auf dieser Insel kann einem verflucht auf den Senkel gehen , ging es Elvis auf dem Weg zum Sheriff-Büro durch den Kopf. Jeder Hinz und Kunz schien Emma inzwischen zu kennen. Wofür hielten die Leute ihn eigentlich? Für ihren persönlichen PR-Fuzzi?
Am Morgen hatte er Evert Dowdy wegen überhöhter Geschwindigkeit angehalten. Evert saß in seinem Pickup, eine Kugel Kautabak in der Backentasche, während Elvis den Strafzettel schrieb.
»Verdammte Cops«, nuschelte er. »Wieso kümmert ihr euch nicht um die echten Kriminellen? Drogenhändler und so? Fände ich jedenfalls vernünftiger, als unbescholtenen Bürgern das sauer verdiente Geld aus der Tasche zu ziehen, häh?«
Elvis versagte sich eine Antwort. Er hob den Kopf und bedachte den älteren Mann mit einem abschätzigen Blick. Evert, auf der Suche nach einem anderen Thema, rutschte nervös auf dem Fahrersitz herum. »Schon von dieser Frau gehört, die neu in der Stadt ist? Diese Sands oder wie die heißt?«, lenkte er schließlich ein.
Elvis räusperte sich geräuschvoll und schob ihm das
Formular durchs Wagenfenster. »Wenn Sie hier bitte unterschreiben, Sir.«
Evert unterschrieb, reichte den Strafzettelblock aber nicht gleich zurück. »Stimmt es eigentlich, was ich da gehört habe? Dass sie so’ne Art Mechaniker ist?«
»Ja. Sie kennt sich gut mit Autos aus.«
»Und sie hat den alten Bill wegen ein paar Zündkerzen fertiggemacht?«
»Ja.«
»Alle Achtung.« Evert spuckte gekonnt einen Schwall Tabaksaft aus dem Wagenfenster und gab Elvis den Block zurück. »Da«, meinte er. »Meinen Sie, die ist vom andern Ufer?«
Elvis stieg die Galle hoch. Er riss den Strafzettel vom Block ab und reichte ihn dem Mann. »Sie kennen Mrs. Sands wohl noch nicht persönlich, hm?«
»Nö.«
»Lesbisch ist sie jedenfalls nicht.«
»Pft«, schnaubte Evert seelenruhig kauend. »Dass sie ein Kind hat, hat doch nichts zu sagen.«
Am Nachmittag klingelte Elvis an der Tür eines schlichten, aber gepflegten Reihenhauses in seiner früheren Gegend. Eine Frau von Mitte vierzig öffnete ihm. Sie wirkte allerdings um einiges älter.
»Guten Tag, Ma’am«, begrüßte er sie förmlich. »Ich bin Sheriff Donnelly. Sie sind sicher Mrs. Steadman, nicht?«
»Ach du meine Güte.« Sämtliche Farbe wich aus ihrem Gesicht. Erkennbar aufgelöst klammerte sie sich an den Türrahmen. »Ist einem meiner Jungen was passiert?«
»Nein, Ma’am, alles in Ordnung«, versicherte er ihr hastig. »Jedenfalls soweit mir bekannt ist.« Als sie aufatmend
vor den Türrahmen sank, setzte Elvis betreten hinzu: »Verzeihen Sie, Mrs. Steadman, ich wollte Sie nicht beunruhigen.« Erleichtert stellte er fest, dass ihre Wangen wieder Farbe annahmen. »Ich bin wegen einer anderen Sache hergekommen. Auf der Emerson Road in der Nähe vom Old Bailey Place haben wir das hier gefunden.«
Sie musterte ihn, als wäre er nicht mehr ganz bei Trost. »Und was bitte hat das mit mir zu tun?«
Elvis hielt ihr eine alte Ausgabe von Good Housekeeping hin, die er in dem Müllhaufen aufgestöbert hatte. »Diese Zeitschrift lag mittendrin, Ma’am.«
Sie lenkte ihren Blick von seiner vernarbten Wange auf das Magazin. Auf dem Cover klebte ein verblasstes Etikett mit ihrer Adresse. »Was soll das …?« Schlagartig kapierte sie. »Diese verdammten Bengel!« Sie hob die Lider, sah Elvis eindringlich an. »Sheriff, ich schwör’s Ihnen! Ich hab meinen Jungs gestern zehn Dollar in die Hand gedrückt - und ihnen eingeschärft, sie sollten das Zeug zur Deponie fahren.«
»Ein altes Bettgestell, Zeitschriften, Kunststoffverpackungen, Abluftfilter?«
Mit jedem aufgezählten Gegenstand kniff sie die Lippen fester zusammen. »Ich bring sie eigenhändig um, diese nichtsnutzigen Bengel!«
»Es sind Teenager, Ma’am. Wenn sie nichts Schlimmeres anstellen, haben Sie als Mutter einen guten Job gemacht. Richten Sie ihnen aus, dass sie den Sperrmüll am Samstagmorgen als Allererstes zu beseitigen haben. Nachher sollen sie sich bei mir melden. Ich schick sie dann den restlichen Samstag in die Stadt zum Abfall einsammeln.«
»Ja … in Ordnung. Mach ich.« Komisch, eigentlich hatte er wunderschöne Augen. »Danke, Sheriff. Ich weiß, Sie hätten mir jetzt’ne saftige Geldstrafe aufbrummen können und so. Sie können
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