Revelations
Bacchae!«, sagte Jiao und sprang dabei mit erhobenen Armen vom Bett auf. »Sie hat zum Beispiel Jades Hinterhalt nach ein paar Minuten durchschaut gehabt. In Arnac wusste sie genau, wie sie das Amulett einsetzen musste. Anschließend erteilt sie plötzlich Befehle und verfolgt Nadims Mörder allein in einer angeblich für sie völlig fremden Stadt!«
Cassidy hörte ihr aufmerksam zu und nickte instinktiv. Wüsste sie es nicht besser, hätte sie Jiao vermutlich sogar zugestimmt.
»Sie war jahrelang eine Kommandeurin der Vultures«, sagte Cassidy etwas zögerlich. »Jade hat behauptet, die stünden jetzt auf Seiten der Sicarii.«
»Das würde zumindest deren gesteigertes Interesse an ihr begründen«, antwortete Jiao. »Die waren völlig aus dem Häuschen, als sie von Angel erfahren haben. Und das ist wirklich alles?«
Cassidy nickte erneut und zuckte hilflos mit den Schultern.
»Hat dir Jade etwas anderes erzählt?«
Jiao zog einen kleinen Zettel hervor, auf dem nichts als eine Zahlenreihe geschrieben stand.
»Das sind die Koordinaten einer Stelle gut hundert Kilometer nordwestlich von Arnac, wo ich sie treffen soll. Mehr hat sie mir nicht gesagt.«
»Was ist da?«
»Nichts als vertrocknetes Farmland«, erwiderte Jiao. »Seit Jahren haben wir keine Drohne mehr so weit in ihr Gebiet geschickt und ich hielt es für besser, meinen Vater nicht darüber zu informieren.«
»Und wie willst du dorthin kommen?«
»Da gibt es nur eine Möglichkeit. Fliegen. Ich glaube kaum, dass uns die Sicarii nochmal durch ihr Territorium fahren lassen würden, zumal ich wohl nicht länger auf die Hilfe von Charles zählen kann.«
Cassidy zog die Beine an ihre Brust und starrte auf den dunklen Metallfußboden.
»Mein Vater würde mir jedoch niemals die Erlaubnis dazu geben. Nach all meinen Fragen würde es mich nicht mal wundern, wenn er bereits einen Grund sucht, mir Flugverbot zu erteilen«, fuhr Jiao mit hochgerissenen Armen fort und drehte sich dabei zu Cassidy um. »Außerdem will er dich morgen ebenfalls von den Sicarii abholen lassen.«
Cassidy schluckte wie zuvor, als sie vom Schicksal ihrer Freunde erfahren hatte, und starrte Jiaos dunkle Silhouette erschrocken an. Sie erinnerte sich noch lebhaft an ihre erste Gefangenschaft und bekam furchtbare Angst, da sie diesmal wohl kaum innerhalb weniger Tage auf Rettung hoffen konnte.
»Es scheint, als bleibt uns beiden keine andere Wahl, als meinem Vater zuvorzukommen«, sagte Jiao, hockte sich vor Cassidy auf den Boden und blickte sie mit zusammengekniffenen Augenlidern an. »Sieh mir in die Augen und sag mir, dass ihr keine feindlichen Absichten gegen uns hegt.«
»Wir sind hier, weil Jade uns östlich der Schlucht Hilfe versprochen hat. Bis auf Sharons Aufeinandertreffen mit dir wussten wir nichts von euch!«, schwor Cassidy mit erhobenen Händen. Jiao blinzelte einen Augenblick lang und stand wieder auf.
»Ich glaube dir«, antwortete sie knapp, holte ein kleines Gerät hervor, das wie eine Heißklebepistole aussah, und hielt es Cassidy an die rechte Schulter. »Keine Sorge, das tut nicht weh.«
Bevor sie protestieren konnte, klickte das Gerät und Cassidy verspürte einen stechenden Schmerz auf der Haut, der aber schon nach einer Sekunde nachließ.
»Was war das?«, fragte sie erschrocken und rieb sich über den Oberarm.
»Ein Mikrochip, mit dem wir dich überall wiederfinden können, falls du uns verloren gehst. Jeder von uns trägt einen. Außerdem ...« Jiao holte eine ihrer taktischen Einsatzbrillen hervor und reichte sie Cassidy. »... funktioniert die jetzt mit deinen Biowerten.«
Tatsächlich zeigte die Brille nun Cassidys Blutdruck, Puls und Position an. Auf der Karte erkannte sie zudem gut einhundert Punkte um sie herum, da sie sich mitten in der Biosphäre befand.
Jiao zückte unterdessen ein kleines Funkgerät und flüsterte hinein. »Karen, Leon - grünes Licht! Ich wiederhole, grünes Licht!«
Cassidy atmete unglaublich erleichtert auf und ließ ihre Füße zurück auf den Boden sinken.
»Und was nun?«
Im selben Moment öffnete sich die Zellentür. Leon trat zusammen mit Sergej ein.
»Uns bleibt nicht viel Zeit. Die beiden werden dich zum Hubschrauber bringen«, erklärte Jiao und drehte sich zu den Soldaten um. »Ihr wisst, was zu tun ist. Ich muss noch ein paar Dinge aus meinem Quartier holen.«
»Und du bist dir absolut sicher?«, fragte Leon.
Jiao nickte ihm entschlossen zu und verließ die Zelle, ohne ihm eine verbale Antwort zu
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