Revierkönige (German Edition)
‚das ist unser Revier‘. Es gab sogar eine Meldung in der Ruhr-Nachrichten. Da konnte er dann auch noch prahlen damit. ‚Kucktma, ich steh inne Zeitung!‘“ Plötzlich fing Frank an zu lachen. „Aber dem Hansi iss da ein peinlicher Fehler unterlaufen – das Hakenkreuz ist falsch rum.“
„Wie falsch rum? Woher weißte das denn?“
„Ich habe recherchiert und das Restaurant ausfindig gemacht, weil ich da ne Geschichte für den Geier draus machen wollte. Vielleicht mach ich das auch noch. Der Typ hat sich erst geziert, aber dann hat er doch was erzählt und hat mir seinen Arm gezeigt. Jedenfalls hat unser Hansi die Nazi-Rune falsch rum gemalt, und bestimmt nicht aus Versehen. Skins sind unter der Glatze genauso nackt wie obendrauf.“
Man schwieg. Horst stellte allen noch ein frisches Bier hin und sagte: „Vom Haus“, das erste Mal seit der Eröffnung des Opossums vor acht Jahren, und alle blickten auf die vollen Gläser, als wüssten sie nicht, was sie damit anfangen sollten. „And now he´s gone“, sang er. „Tja Leute, das kommt davon, wenn man nur Scheiße im Hirn hat.“
„Was ihm wirklich passiert iss, wissen wir aber nich“, meinte Motte, „vielleicht erfahren wir das auch nie.“
An diesem Abend, der Spargels letzter war, blieben sie alle lange zusammen. Niemand musste irgendwo hin, niemand wollte gehen. Man saß und quatschte, war zufrieden und harmlos. Olaf hatte eigentlich Martina versprochen, diesen Abend bei ihr zu verbringen, aber er fühlte sich hier gut aufgehoben. Und er spürte angesichts seiner Abreise am nächsten Tag auf einmal eine angenehme Aufregung in sich. Die erinnerte ihn an eine andere Zeit. Sie pulsierte in ihm, berauschte ihn. Das war´s dann, es reichte. Die Straßen kamen einem so bekannt vor wie alte Unterhosen – nicht schön anzusehen, aber bequem –, in den Wohnungen standen dieselben Möbel und Gerüche, die Leute, die man kannte, waren damit verwachsen und ihre Worte waren mit einem selber verwachsen. Vier Tage nichts denken, nur erzählen, wie toll es in München war. Sie beneideten ihn. „Keeah, hatt der ein Glück!“
Der Spargel war richtig stolz und dachte nur, wie froh er war, dass er morgen wieder zurückfuhr. Das dachte er, ja. Was sollte er denn sonst denken?
„Hier könnte ich nich mehr leben“, sagte er, „ne, echt nich.“
Der Herbst verging langsam und dauerte fünf Monate. Dann wurde es Olaf Keune schwarz vor Augen.
Zuerst dachte er, der Traum würde einfach weitergehen, und dass dieses Abhängen im Fotostudio dazugehörte. Es fühlte sich zwar alles nicht mehr so interessant und anders an wie am Anfang, aber während er mit Bruno ein oder zwei Fläschchen Wein schlürfte, merkte er nicht, dass es kälter geworden war. Er hatte nur mal kurz den Eindruck gehabt, als Vera bei seiner Rückkehr so verwundert war. „Ich dachte, du bleibst bis Sonntag.“
Nein, er war nicht bis Sonntag geblieben, nur bis Freitag, da gab´s eine Mitfahrgelegenheit, und es konnte doch wohl nicht wahr sein, dass sie ihn wegen der zwei Tage mit diesem freudlosen Gesicht empfing. Es war eines ihrer Alltagsgesichter, das er am wenigsten leiden konnte, und das setzte sie ausgerechnet zur Begrüßung auf. Aber, wie gesagt, es handelte sich nur um einen flüchtigen Eindruck, konnte durchaus täuschen.
Olaf hatte schon vor langer Zeit begriffen, dass er immer derjenige war, der den Anfang machen, die Verbindung wiederherstellen musste, bis sie ihre Unsicherheit überbrückte, also würde er es auch diesmal tun, allerdings mit einer kleinen strategischen Änderung. Er fühlte sich nach der kühlen Begrüßung klar und erfrischt und hielt seine Freude im Zaum, wurde ernst, geizte mit Worten und zeigte sich nur höflich interessiert an dem, was sie erzählte. Er tat genau das Richtige, denn schon bald ließ sich eine Veränderung im Raum wahrnehmen. Während er seine Sachen auspackte und verstaute, wusste er, dass sie ihn beobachtete. Nach und nach erwärmte sich die Atmosphäre und dann lag dieses Knistern in der Luft. Er spürte ihre Augen auf seinem Rücken und auf seinen Beinen und es war ihm, als würden sich Millionen feiner Härchen, die aus seiner Haut wuchsen, aufstellen. Sein Mund, seine Hände, seine Haut sehnten sich nach ihr, und er wusste, dass es ihr in diesem Moment genauso ging. Sie saß lässig auf dem Stuhl und lehnte ihren Kopf gegen die Wand. Sie sprach mit weicher Stimme belangloses Zeug, ihre Lippen waren voll und feucht. Er ging nicht
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