Revolte auf Luna
rechtzeitig zum Beginn des Gottesdienstes, und Greg hielt eine wortgewaltige Predigt.Ich hörte kaum zu, aber Wyo achtete wirklich darauf und kannte entweder unser Gesangbuch oder konnte gut Noten lesen.
Nach unserer Rückkehr unterhielten wir uns noch eine Weile mit Hans und Sidris, bevor wir alle ins Bett gingen.Mum hatte Wyo ein eigenes Zimmer zugewiesen, anstatt sie bei einem der älteren Mädchen unterzubringen. Ich schlief diese Nacht bei ihr, denn Mum wirkte beruhigend,und ich wollte vermeiden, daß sie dachte, ich hätte die Absicht, mich später in Wyos Zimmer zu schleichen.
Wir sprachen noch einige Zeit miteinander, löschten das Licht und wären eingeschlafen, wenn Mum nicht gesagt hätte: »Manuel? Warum macht deine niedliche Bekannte sich als Negerin zurecht? Ihre natürliche Hautfarbe steht ihr bestimmt besser,nicht wahr?«
Ich drehte mich also um und begann ihr alles zu erklären bis auf einen Punkt: Mike. Er wurde zwar erwähnt -aber als Mann, dessen Bekanntschaft Mum aus Sicherheitsgründen vorläufig nicht machen würde.
Dies war ohne Zweifel der beste Zeitpunkt, um sie in unsere Pläne einzuweihen und in die Reihen der Verschwörer aufzunehmen -als Leiterin einer eigenen Zelle. Mum war intelligent und besaß unbestreitbar Führereigenschaften, sonst hätte sie keine Familie unserer Größe kontrollieren können. Sie wurde allgemein respektiert, weil sie schon länger als die meisten anderen hier war. Mum konnte uns viel helfen.
Und sie war innerhalb der Familie einfach unersetzlich. Ohne ihre Hilfe konnten Wyo und ich kaum gemeinsam telefonieren und verhindern, daß die Kinder etwas merkten -aber mit Mums Unterstützung ließen sich alle diese Schwierigkeiten aus dem Weg räumen.
Sie hörte aufmerksam zu, seufzte und meinte: »Das klingt gefährlich,Liebster.«
»Es ist auch gefährlich«, bestätigte ich. »Hör zu, Mimi, wenn du nicht mitmachen willst, brauchst du die ganze Sache nur zu vergessen.«
»Manuel! Du bist mein Gatte; ich habe versprochen, in guten und schlechten Zeiten zu dir zu halten... und dein Wunsch ist mir Befehl.« (Das glaubte sie tatsächlich!) »Ich lasse dich in dieser gefährlichen Situation nicht allein«, fuhr sie fort, »und außerdem träumt wohl jeder Loonie davon,daß wir eines Tages frei werden.« Sie machte eine Pause.»Ich soll also drei Vertrauenswürdige anwerben, nicht wahr?«
»Richtig. Aber das hat keine Eile. Lieber langsam und sicher.«
»Sidris«, murmelte sie. »Sidris ist vertrauenswürdig und kann schweigen.«
»An deiner Stelle würde ich mich nicht auf die Familie beschränken.Wir müssen uns ausbreiten.«
»Gut, darüber sprechen wir noch, bevor ich etwas unternehme.
Wenn ich dir einen guten Rat geben darf, Manuel...« Sie sprach nicht weiter.
»Immer dankbar dafür, Mimi.«
»Erzähl Grandpaw nichts davon. Er ist schon etwas vergeßlich und spricht in letzter Zeit zuviel. Gute Nacht, Liebster.«
Kapitel 9
In den folgenden Wochen und Monaten wäre es durchaus möglich gewesen, die verrückte Idee einer Revolution zu vergessen, wenn die Details nicht soviel Zeit verschlungen hätten. Wir wollten vor allem nicht auffallen. Und wir hatten uns vorgenommen, die Verhältnisse auf Luna möglichst zu verschlechtern.
Ja, verschlechtern. Es gab nie eine Zeit -nicht einmal zuletzt -in der alle Loonies die Verwaltung beseitigen undsich unserer Revolution anschließen wollten. Alle Loonies haßten den Gouverneur und betrogen die Verwaltung: aber das bedeutete noch lange nicht, daß sie bereit waren, für unsere Ziele zu kämpfen und zu sterben. Erwähnte man in ihrer Gegenwart das Wort »Patriotismus«, wurde man angestarrt -oder der andere dachte, man spreche von seinem Vaterland. Aber Luna? Luna war der Verbannungsort,den niemand liebte.
Der durchschnittliche Loonie interessierte sich nur für Bier, Wetten, Frauen und Arbeit -in dieser Reihenfolge.>Frauen< kamen vielleicht an zweiter Stelle. Die Loonies hatten frühzeitig gelernt, daß es nie genügend Frauen für alle geben würde; wer das nicht begriff, lebte nicht lange,denn selbst der größte Egoist kann nicht ununterbrochen wachsam sein. Die Loonies paßten sich den Verhältnissen an -oder taten es nicht und starben. Aber >Patriotismus< gehörte nicht zu den lebensnotwendigen Dingen.
Das wurde mir erst klar, als ich an dem Versuch teilnahm, das patriotische Bewußtsein meiner Mitbürger aufzurütteln.Wyo und ihre Kameraden hatten erfolglos auf den Knopf >Patriotismus<
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