Revolution - Erzählungen
weitergraben. Ich drehe mich um, das Licht meiner Lampe gleitet über Shirazi. Makamba steht dort – mamas Lakai.
»Schick eine Schlange rein«, sagt er.
»Der Spalt ist gefährlich«, warne ich ihn. »Die Decke ist nicht stabil, sie kann einstürzen.«
Die erfahrenen Schlangen haben sich zurückgezogen – sie sind plötzlich sehr beschäftigt. Sie füllen Abraum in die Säcke, schleppen sie zum Schacht und reichen sie die Leitern hoch. Wenn ich sie rufe, würden sie mich nicht hören. Sie würden taub sein, bis ich sie schlage, dass sie ihre eigenen Schreie hören können.
»Der Neue«, sagt Makamba und sieht mich träge an.
»Du, Schlange?«, rufe ich. »Der neue Bursche, wo ist er?«
Die anderen Schlangen im Schacht hören mich. Sie geben es weiter: »Du, der neue Junge. Du sollst nach vorn kommen und arbeiten.« Sie schubsen ihn beinahe. Er hat keine Ahnung und ist sehr klein, noch ein Kind.
»Komm«, fordere ich ihn auf und reiche ihm die Hand. Er sagt kein Wort, kommt aufmerksam zu mir. Ich zeige ihm die Spalte. »Du musst hier hineinkriechen, den ganzen Schutt und die Steine dort drinnen schiebst du hinter dir raus, damit wir sehen können, ob dort die Ader ist. Wir räumen die Schlacke dann weg.« Er nickt wortlos. Shirazi kommt mit einem Seil und bindet es dem Jungen um den Leib.
»Du schiebst den Schutt mit den Händen raus und benutzt dann deine Füße, um es weiter zurückzuschieben, damit wir drankommen«, erkläre ich ihm. Wieder nickt er, schaut auf das Seil um seinen Bauch, wagt aber nicht zu fragen.
»Manchmal ist es schwierig, rückwärts zu kriechen, wenn es sehr eng ist oder zu viel Schlacke herumliegt, dann ziehen wir dich mit dem Seil wieder heraus.« Er nickt. Die Taschenlampe an seinem Kopf ist festgeschnallt; mamas große Investition in die neuen Arbeiter. Er braucht sie nicht, weil er nicht weiß, wie die Sedimentschicht aussehen muss, um die Richtung zum Reichtum zu weisen. Zunächst muss er graben – dann muss eine klügere Schlange hinein.
»So. Los geht’s.« Ich klopfe ihm auf den Rücken. Er kriecht in den Spalt, fängt an, den Schutt und die Steine nach hinten zu schieben.
»Immer mit der Ruhe«, sage ich mit dem Oberkörper in der Spalte und schiebe den Abraum mit den Händen in den Stollen. Eine erfahrene Schlange ist gekommen und füllt die Schlacke hastig in Säcke. Er sieht mich nicht an. Wir alle kennen das Risiko, bis auf den Jungen in der Spalte, der jetzt die Füße benutzt, um den Schutt hinauszuschieben.
»So ist es gut«, sage ich. »Ist die Spalte tief?«
»Ja. Ich komme noch weiter.« Er kriecht vorwärts. Makamba setzt sich in die Hocke und guckt. Soll ich eine andere Schlange hineinschicken, damit er sich die Struktur des Felsens ansieht – ist er porös oder fest? Kann er einstürzen? Die Schlange kriecht tiefer in den Spalt, und das Seil hebt sich langsam vom Stollenboden. Makamba ist das Poröse egal. Entweder schicke ich den einen Jungen, oder ich schicke einen anderen Jungen, ihm ist es gleich. Ich muss an andere Dinge denken. Mein Bauch tut an einer Seite weh, ziemlich weit hinten am Rücken – seit zwei Tagen schon, obwohl ich gegessen habe.
Der Junge ist erst ein paar Meter in der Spalte, aber es ist eine harte Arbeit, den Abraum zurückzuschieben. Er hat nur einen Meißel, um ihn zu lösen. Wenn er die Steine gelockert hat, muss er alles mit den Händen zurückschieben und selbst über den Schutt kriechen, bis seine Füße ihn weiterschieben können. Dann wird es von uns abtransportiert, und er kann weitergraben. Überall wird die Haut aufgerissen, die Augen sind voller Staub. Da drinnen ist nur sehr schwer Luft zu bekommen, auch deshalb verwendet man Jungen und keine Männer. Jungen kommen damit besser zurecht. Sie glauben, nur die anderen können sterben.
Ein Geräusch dringt aus der Spalte: ein Knirschen, ein Rumpeln, Geröll.
»Zieh!«, schreie ich Shirazi zu. Er stemmt sein Körpergewicht gegen das Seil, während ich den Oberkörper in die Spalte presse, den Arm ausstrecke und nach dem Seil taste. Meine Hand trifft auf Schutt – ich spüre das Seil, das aus dem Schutt kommt, straff gespannt. Zu viel Schutt. Jetzt ziehen mehrere Männer hinter mir.
»Kommst du an ihn ran?«, brüllt Shirazi. Meine Hände schieben Steine und Schutt zur Seite – ich muss die Füße erreichen, möglicherweise sind sie an den Seiten des Spalts eingeklemmt, so dass der Körper sich nicht herausziehen lässt. Das straffe Seil zittert im flackernden Licht
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