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Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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stellen, damit sie ein wenig zusätzliche Kraft tanken können.
    Alle steigen wieder hinunter – hacken, sprengen, schleppen, folgen der Ader, die die Schlange erschlagen hat. Der Schmerz durchzuckt mich, ich wälze mich im Schutt. Kotze. Uhhh , die Schlangen starren mich kalt an; sie wissen, dass ich ihr Leben auf der Jagd nach dem Stein aufs Spiel setzen würde – mich leiden zu sehen, freut sie. Hätte ich auf der Leiter im Schacht gestanden, wäre ich gefallen. Vorbei.
    Die Kristalle verflüchtigen sich und verschwinden, ohne uns die blaue Frucht zu schenken. Es ist Feierabend. Wir klettern hinauf, um zu essen. Mama war heute unterwegs, hat auf dem Markt an der Arusha Road eingekauft. Hühnchen, Zwiebeln, Tomaten, Gewürze, Bananen, Kartoffeln, Kohl. Alle guten Sachen. Woher ich das weiß? Der Koch bereitet ihre Mahlzeit. Der Duft von gebratenem Hühnchen ist ein böses Gewürz für den Geschmack des Schweinefraßes in meinem Mund.
    Mama bekommt Besuch von dem Mann, der unsere Nachbarmine betreibt. Sein Name ist Savio, ein großer junger Mann, Inder. Die Arbeiter sagen, er behandelt sie gut, beinahe wie Menschen. Savio sitzt auf der Veranda und unterhält sich mit mama Bomani. Ich kann nichts verstehen, trotzdem ist der Inhalt klar. Das Ziel der Bosse: Wie pressen wir den letzten Tropfen aus den Arbeitern?
    Savio geht wieder. Die zweite Schicht ist noch nicht im Schacht. Makamba ruft uns vor dem Haus zusammen. Mama steht auf ihren fetten Beinen auf der Veranda. Wir sind ungefähr einhundertachtzig Mann, inklusive der Schlangen.
    »Ich kann es mir nicht mehr leisten, euch zu füttern, wenn ihr keine Steine findet«, erklärt sie. Versteht sie denn nicht, dass die Zeit reif ist? Der Boden ist gedüngt mit einer toten Schlange. Aber mama Bomani steigt in ihr Auto und fährt nach Arusha.
    Wir Sklaven müssen uns gegenseitig Geld leihen; wir machen viele Schulden ohne Aussicht auf Einnahmen. Möglicherweise ist mama gar nicht das Geld ausgegangen, vielleicht erhöht sie nur den Druck auf uns – wir hungern und dursten, wenn die Arbeit nicht weitergeht. Sie, sie hungert nie. Sie will mehr von uns. Sie will Steine. Wenn wir ernten, bekommen wir auch etwas zu essen. Wir können nichts gewinnen, da wir von vornherein ohne Lohn arbeiten – nur fürs Essen. Sollen wir aufhören zu arbeiten? Sie hat es bereits getan, sie sitzt in ihrer Villa in Arusha und isst Fleisch.
    In der Nacht kehrt der Schmerz fürchterlich zurück. Shirazi besorgt mir bhangi , aber es verschafft nur wenig Linderung.
    »Du musst zum Arzt«, sagt Shirazi.
    »Es gibt keinen Arzt in Mererani Township.«
    »Du musst in ein Krankenhaus.« Das ist richtig, aber woher soll das Geld kommen? Und wird es helfen? Der böse Geist frisst mich auf. Am nächsten Morgen gebe ich Shirazi meinen letzten kleinen Stein. Er verkauft ihn sofort. Ich liege im Schatten am Zaun und ruhe mich aus. Shirazi drückt mir das Geld in die Hand.
    »Danke. Jetzt muss ich nur noch eine Fahrgelegenheit nach Moshi oder Arusha finden, es wird schon irgendwie gehen.«
    »Du hast nicht genug Geld. Du brauchst Geld für den Arzt«, sagt Shirazi. »Ich verkaufe mein Radio.«
    »Mach das nicht, vielleicht ist es ja gar nicht nötig.«
    »Es ist nur ein Radio. Ich kenne einen, der es kaufen will.«
    Shirazi – er will mir die Chance geben, dem Tod eine Nase zu drehen. Er zieht das Radio aus der Plastiktüte, wischt den Staub ab und stellt es so ein, dass es sich gut verkaufen lässt. Ich gucke an mir hinunter – und sehe die guten Stiefel. Brauche ich die in der Welt der Geister?
    »Sieh zu, dass du Jackson findest«, sage ich zu Shirazi.
    »Glaubst du, er würde dich fahren?« Shirazi spuckt aus.
    »Die Stiefel«, erwidere ich. Shirazi geht. Er bleibt lange fort. So viele unbeschäftigte Hände von Schlangen und Arbeitern um mich herum. Meine Arbeit ist es, sie arbeiten zu lassen. Wenn es nötig ist, muss ich sie schlagen. Und jetzt liege ich hier, außerstande zu laufen. Nur die Angst vor Shirazi hält sie ab.
    Endlich höre ich ein Motorrad auf die Mine zufahren. Shirazi hinten auf Jacksons Yamaha 250cc. Jackson trägt starke Jeans, ein schickes Bob Marley-T-Shirt, die Augen sind hinter der Sonnenbrille versteckt. Aber die Schuhe sind schlecht. Ich setze mich auf, ich muss versuchen, die Krämpfe in den Griff zu bekommen. Jackson soll nicht sehen, wie krank ich bin.
    »Du hast die Stiefel ganz schön abgetragen«, beginnt Jackson. Aber er ist gekommen, er will sie. Ich antworte

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