Revolution - Erzählungen
dem Generator und dem Kompressor.
»Ihr müsst runter«, sagt Makamba zu Shirazi, der mich ansieht. Ich schüttele den Kopf und gehe weiter. Wir müssen nicht runter. Bei dem Lärm der Hacken kann man im Stollen nicht hören, dass der Luftschlauch kein Geräusch mehr von sich gibt. Die Luft ist immer so dünn und schlecht, dass einem übel wird. Das ist normal.
Der Mechaniker Suleimani schwitzt heftig, während er wieder und wieder an der Starter-Schnur des Generators zieht. Er sieht mich kommen.
»Diesel ist im Tank«, sagt er.
»Was ist mit der Brennstoffleitung zum Motor?«
»Ist sauber, habe ich untersucht.«
»Der Luftfilter?«, schlage ich vor. Er nimmt einen Schraubenzieher und versucht hektisch, den Filterkasten zu öffnen. Ich schaue zum Schacht. Niemand kommt. Nein, wir laufen ihnen nicht nach. Andere Retter haben so etwas früher schon versucht, wir kennen die Geschichten. Fünfzig Meter runter und dann vierhundert Meter auf Händen und Füßen. Erst spürt man sein Herz heftig klopfen, dann bekommt man keine Luft mehr, es wird einem schwindlig, der Körper fühlt sich schwach an. Und sobald das Gehirn keinen Sauerstoff mehr bekommt, werden die Gedanken vernebelt – man übersieht die Situation nicht mehr: dass man umdrehen und sich beeilen muss, um herauszukommen. Dann wird man ohnmächtig und stirbt.
Jetzt passiert etwas: Die ersten Arbeiter kommen aus dem Schacht, sehr müde – einige übergeben sich trocken. Wir zählen. Insgesamt kommen sechsundsiebzig heraus. Vierundzwanzig fehlen, wenn die Zahl hundert korrekt ist. Nach zwanzig Minuten kann Suleimani die Maschine wieder starten. Sie muss aber erst eine Weile laufen, bis die frische Luft die schlechte Luft aus der Mine gedrückt hat.
Die mama versteckt sich in ihrem Haus, Makamba ist sehr nervös – ständig hat er die Hand an seiner Pistole. Wenn die Geschichte nach Arusha dringt, wird sie ziemlich viel Aufsehen bei den Behörden erregen. Sie werden die Field Force Unit schicken und sämtliche Minen schließen. Mama wird im Gefängnis wohnen.
»Okay«, sage ich und zeige auf einige der Männer. »Jetzt gehen wir runter.« Erst ich und Shirazi. Nach ungefähr hundert Metern finden wir die Ersten im Stollen. Bewusstlos, aber am Leben. Die Männer schleppen sie zum Schacht, wo sie mehr Luft bekommen und wieder aufwachen. Im Minengang stinkt es fürchterlich. Mir ist schwindlig, aber ich krieche vorwärts. Eine Leiche. Nein, ich spüre noch Puls. Ich ziehe ihn mit mir, fange aber an zu kotzen. Shirazi taucht hinter mir auf.
»Lass ihn und kriech zurück an die Luft«, sagt er.
»Wir ziehen ihn zusammen«, antworte ich und spucke, sacke auf dem Stollenboden zusammen. Shirazi schlägt mir ins Gesicht – PAH , PAH . Ich komme zu mir, wir greifen jeder nach einem Arm, ziehen den Mann mit uns. Die Luft wird besser. Wir erreichen den Schacht. Langsam erholt sich der Mann, wir binden ein Seil um ihn, lassen ihn nach oben ziehen. Eine Weile bleiben wir im Schacht stehen und schöpfen Atem, bevor wir wieder loskriechen. Der Kompressor hat inzwischen frische Luft in den Stollen gepumpt. Am Ende des Ganges finden wir die Toten. Vierzehn Tote. Wir schleppen sie zum Schacht, sie werden hochgezogen. Wir graben Löcher für sie. Suleimani ist verschwunden – aus Angst vor der Rache der Kameraden der Toten. Obwohl er kein richtiger Mechaniker ist, hatte er doch die Verantwortung für den Generator und den Kompressor. Die mama ist in ihrem Wagen davongefahren. Makamba in seiner Angst ist gefährlich.
Am nächsten Tag steht die Mine still. Behördenvertreter tauchen jedoch nicht auf. Ist die Mine in Betrieb, können wir durch Ersticken sterben. Jetzt können wir den Hungertod sterben.
Mama Bomani muss die richtigen wabwana wakubwa gründlich geschmiert haben, denn die Behörden erscheinen überhaupt nicht. Nach drei Tagen kommt sie mit einem neuen Mechaniker zurück, und die Arbeit wird wieder aufgenommen.
VI
Ein Jahr bei der fetten mama .
Zweihundert Meter in dem neuen Stollen. Nichts. Der Lichtkegel meiner Taschenlampe auf dem Kopf sucht durch die Staubwolken nach dem schmalen Spalt im Felsen, der durch die Sprengung entstanden ist. Ich beuge mich vor, die Taschenlampe schrammt über den oberen Teil des Spalts. Ich kratze den Splitt und die Steinchen mit den Händen heraus, bis ich nicht mehr weiterkomme, weil mein Oberkörper zu breit ist. Die Zeichen sind zweifelhaft – wir müssten sie genauer untersuchen, bevor wir in dieser Richtung
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