Revolution - Erzählungen
nicht.
»Lass sie mich anprobieren.« Der Krampf trifft mich, als ich sie aufschnüre. Shirazi hilft mir. Jackson zieht sie an.
»Ich habe das Geld grad nicht da«, sagt er.
»Komm uns nicht so«, sagt Shirazi.
»Das ist wahr. Ich habe nur ein bisschen, fürs Benzin. Ich muss nach Moshi, meine Familie besuchen.«
»Wenn du in Moses’ Stiefeln fahren willst, musst du bezahlen.«Jackson schüttelt den Kopf.
»Ihr müsst mit dem Geld bis nächste Woche warten.«
»Dann musst du für die Stiefel Moses ins Krankenhaus fahren.«
» Tsk .« Jackson schüttelt den Kopf. »Ich habe euch schon so oft geholfen. Ich habe euch von der Arbeit hier bei mama erzählt.«
»Hier gibt’s keine Arbeit«, sage ich. Shirazi stellt sich dicht neben Jackson.
»Ausziehen!« Aber Jackson will die Stiefel haben. Und da er ohnehin nach Moshi muss, kann er mich auch mitnehmen. Ich ziehe meine alten Autoreifen-Sandalen an. Shirazi schleppt mich zum Motorrad und setzt mich auf den Rücksitz.
»Du stinkst«, beschwert sich Jackson. Ja. Der Gestank nach altem Schweiß und von Salz und Dreck starrenden Klamotten.
Jackson fährt. Die Luft ist fantastisch rein und klar, ich brauche kein Tuch vor dem Mund und um die Haare. Ruhig sitze ich hinter ihm auf dem Motorrad – entspannt, damit die Krämpfe nicht die Oberhand bekommen. Das grobe Profil des Hinterreifens greift in den Staub, der Motor, die Kette, das Rad – die Maschine reißt mich weg von Zaire in eine Welt, in der die Menschen die Tage in einem Licht verbringen, das mir in die Augen sticht. Aber ich darf nicht wie dieser kleine Zwischenhändler denken, ich muss hart bleiben; ich muss auf die große Gelegenheit warten. Das Üble in mir, was kann das sein? Vielleicht muss ich ja schon sterben?
Von weitem sehe ich die Gebäude des Kilimanjaro International Airport. Ohhh , ein kreischendes Rumpeln, als wir näherkommen und ein riesiges Flugzeug in den Himmel steigt.
»Der fliegt jetzt mit weißen Touristen nach Europa oder in die USA !«, brüllt Jackson, der glaubt, alles zu wissen. Wir stoßen auf den glatten, guten Asphalt der Zufahrtsstraße zum Flughafen, während das Flugzeug am Kibo vorbeifliegt, damit die Weißen in den Krater auf dem Dach Afrikas sehen können. Als ich von zu Hause fortging, war mein älterer Bruder Träger für die Touristen – der Neger bringt das Essen und Trinken der Touristen mit seinen bloßen Beinen auf den Berg, damit der Weiße die Aussicht genießen und zu Hause ein Foto zeigen kann, wie tüchtig er selbst den Gipfel erklommen hat. Wofür? Vielleicht ist mein Bruder jetzt tot. Ich würde sie gern wiedersehen, ihn, meine Mutter, meine Schwestern. Aber wie soll ich nach acht Jahren mit leeren Händen ins Dorf zurückkehren? Wir erreichen die Arusha Road, den Markt an der Kreuzung. Ahhh , Mädchen, Frauen – so viele. Ihre Augen locken mit Geheimnissen. Runde Hinterteile, opulente Schenkel, strotzende Brüste – so verschieden und doch alle hübsch. Sie verkaufen Gemüse und Obst. Könnte ich doch nur ein Mädchen in meinen Armen halten. Aber ich muss auf den großen Gewinn warten – wenn ich denn so lange am Leben bleibe.
Einfahrt in Moshi. So grün, große Bäume, feine Häuser, überall Menschen, Autos, Fahrräder – ein Fest für die Augen. Ich denke an Rongai, das noch grüner ist als Moshi. Dort gibt es jede Menge gutes Wasser, Mangobäume, Bananenstauden, Milchvieh, Hühner, Bohnen, Mais. Alles im Überfluss. Wenn man Boden besitzt.
Jackson setzt mich an der Brücke über den Karanga River ab. Ich kaufe an einem Kiosk ein Stück Seife. Gehe den Fluss entlang. Eine Dame mit einem Baby auf dem Rücken auf dem Heimweg vom Markt. Ich grüße.
»Gibt es Krokodile im Fluss?«, frage ich sie.
»Nein, es ist ungefährlich.« Ich finde eine geschützte Stelle. Wasche mich und meine Sachen, die ich zum Trocknen auf die großen Steine im Flussbett lege. Zwei weiße Kinder tauchen an der Böschung auf. Ich drehe ihnen den Rücken zu und hocke mich hin. Was wollen die hier? Sie setzen sich und rauchen Zigaretten – der Fluss ist ein Versteck vor ihren Lehrern.
Als meine Sachen trocken sind, gehe ich zum Krankenhaus KCMC . Ich komme am späten Nachmittag, und sie wollen mich über Nacht nicht ins Wartezimmer lassen. In der Nähe gibt es einen Schuppen, in dem ich für ein paar Münzen sicher schlafen kann. Am nächsten Morgen stehe ich früh auf und stelle mich in die Schlange, als die Türen sich öffnen. Den ganzen Vormittag sitze ich im
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