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Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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Gesicht wie ein mattschwarzer Glorienschein einrahmten. »Gib mir eine Zigarette«, bat er auf Englisch. Ich ging zu ihm und zog dabei die Packung aus der Tasche, schüttelte einige Zigaretten heraus.
    » Tsk «, schnalzte ich. »Ein schlimmer Ort.«
    »Babylon. Aids. Die Botschaft ist verborgen«, erwiderte er. Ich sah ihn fragend an. Er schaute mit seinen fieberheißen, eingesunkenen Augen zurück, die von knochentrockener Haut umgeben waren. » A-i-d-s «, buchstabierte er mit deutlichen Zwischenräumen. » African International Death Star «. Er lachte kurz auf – der Kopf fiel zurück aufs Kissen, er grinste, als wollte sich der Mund über seinen Schädel stülpen.
    »Wie lange liegst du schon hier?«
    »Ich kehre bald heim.« Ich wusste nicht, ob er meinte, nach Hause in sein Dorf. Oder ob er es allgemeiner fasste.
    »Bist du reisefähig?«
    »Ich kann es mir nicht leisten, im KCMC zu sterben. Ich muss vor meinem letzten Atemzug in meinem Dorf sein.«
    »Ist es nicht egal, wo du stirbst?«
    »Ich muss in meinem Dorf unter die Erde. Ein Busticket ist billig. Wenn ich tot bin, steigt der Preis für den Transport.«
    »Ja.«
    »Das kann sich meine Frau nicht leisten. Sonst verbrennen sie mich im Ofen des KCMC , tsk . Das ist schmutzig.«
    »Und was willst du machen?«, fragte ich ihn.
    »Mein Sohn holt mich.«
    »Mick?«
    Ich wandte mich um. Sigve kam auf mich zu. Ich ging ihr entgegen. Sie nahm meinen Arm, drehte mich um und führte mich durch die Schwingtüren hinaus – aus dem Herzen der Hölle, durch den Vorraum ins Licht. Ich hatte Lust, sie zu umarmen, aber sie arbeitete und musste sich professionell verhalten. Es ging mir dabei mehr um mich. Ich hatte einfach das Bedürfnis, sie zu umarmen. Sie blieb stehen.
    »Gib mir eine Zigarette, Mick.« Ich zündete sie an und reichte sie ihr. Sie nahm einen Zug, stieß den Rauch aus, zog noch einmal und gab mir die Zigarette zurück.
    »Harter Ort«, sagte ich. »Kann man etwas für sie tun?«
    »Salzwasserspritzen …«
    »Das ist nicht viel.«
    »Es beruhigt sie. Und mich.«
    Ich sagte nichts. Rauchte wortlos. Räusperte mich. Sagte: »Ja.«
    »Hast du den Jungen besucht?«
    »Er probiert hier unten irgendwo sein neues Bein aus.«
    »Ich weiß, dass er vom West-Kilimandscharo stammt.«
    »Ich bin durchschaut«, gab ich zu.
    »Woher kennst du ihn?«
    »Von hier«, sagte ich mit einer Handbewegung. »Aus dem KCMC .«
    »Wie?«
    »Ich traf ihn dort oben, und dann haben wir die Geschichte mit dem Unfall in meiner Werkstatt abgesprochen. Sonst gäbe es doch keine Erklärung, warum ich ständig im KCMC auftauche.«
    »Mick«, sagte Sigve. Sie machte einen raschen Schritt auf mich zu, stellte sich auf die Zehenspitzen, legte eine Hand auf meine Schulter und küsste mich auf die Wange.
    »Gibt es irgendetwas, was ich für dich tun kann?«, fragte ich sie. Sie schüttelte den Kopf. Dann wandte sie mir den Rücken zu und ging wieder zurück – ins Herz der Hölle.
    An einer tiefen, ausgetrockneten Felsschlucht halte ich, um zu überlegen, wie wir sie bewältigen. Sigve springt ab. »Das ist zu steil«, sagt sie lächelnd und springt zwischen den Felsen und harten Erdhügeln hinunter. Ihre Schenkel zeichnen sich unter den Hosenbeinen ab, Staub hat sich in den feinen hellen Haaren auf der Unterseite ihrer Oberarme gefangen. Sie gehört zu mir. Als sie auf der anderen Seite ist, lasse ich die Kupplung los und stelle mich auf die Fußstützen, während ich das Motorrad vorsichtig bis zum Grund der Schlucht lenke; ich gebe nur wenig Gas, lege einen niedrigen Gang ein und beuge mich über den Tank, damit ich nicht hintenüberfalle, wenn das tiefe Profil des Hinterrades sich in den Boden krallt, die Kette das Rad antreibt und die Maschine mich den gegenüberliegenden Hang hinaufbringt. Sigve klatscht Beifall.
    »Gut, dass wir erst jetzt hier sind«, sagt sie.
    »Wieso?«
    »Die Luft ist angenehm, und wir werden den Sonnenuntergang sehen können.« Ich unterlasse es, ihr zu erzählen, dass wir gar nichts mehr sehen werden, wenn die Sonne untergegangen ist.
    »Ja, das wird hübsch«, erwidere ich und gebe ihr stattdessen einen Kuss; staubige Lippen vor der warmen Feuchtigkeit des Mundes.
    In gleichmäßigem Tempo fahren wir lange von Dorf zu Dorf. Das Wasser erstreckt sich weiter und weiter in Richtung Norden. Weit im Norden verteilen sich die Wolken um den Kibo, ich kann die schneebedeckte Krone sehen. Die Sonne brennt nicht mehr so heiß, dass die Verdunstung des Regenwalds für

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