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Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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ihn mal nach dem Weg«, rufe ich Sigve über die Schulter zu und stelle den Motor ab. Ich bin froh, dass sie kein Swahili versteht, und schon gar nicht, wenn es so schnell gesprochen wird wie hier. Der Mann erklärt mir den Weg, ich hätte rechts abbiegen müssen, und er erklärt mir auch, wie es weitergeht. Ich gebe ihm Zigaretten. »Er sagt, der Weg nach rechts ist zur Zeit besser«, fasse ich zusammen, fahre zurück zur Weggabelung und nehme die richtige Straße.
    Ich hatte Freundinnen unter den Einheimischen, als ich auf die Internationale Schule in Moshi ging – kulturell waren sie ebenfalls Bastarde. Eine Goa – heimliche Katholikin. Eine in Tanga aufgewachsene Engländerin – sie starb an Verwirrtheit, Stupidität und einer Überdosis Heroin, verdünnt mit Kunstdünger; das Blut kam ihr aus den Augen, aus der Nase, aus den Ohren. Und Shakila, deren Vater den Leistenbruch des kubanischen Botschafters operiert und ihm ein billiges Ferienhaus bei Pangani verschafft hat, so dass Shakila ein komplettes Stipendium an der Universität von Camagüey auf Kuba bekam. Alle sind fort: USA , Kanada oder sechs Fuß unter der Erde. Sie kommen nie wieder. Was sollen sie hier? Ich bin auch weg gewesen – in Deutschland. Aber ich konnte mit dieser Steifheit nicht leben. Die Europäer sind kalt. Niemand redet miteinander, es sei denn, es geht um Arbeit. Sie leben nur in ihren Gehirnen und können nicht lachen, bevor sie nicht darüber nachgedacht haben, ob der Zeitpunkt auch passend ist. Das Land ist hässlich.
    Die Hochspannungsmasten bringen den Strom nach Moshi – wir folgen ihnen auf der holprigen Schotterpiste, die unweit des Seeufers verläuft. Die Straße entfernt sich von den Masten und durchquert ein weiteres Fischerdorf, Ngorika. Dann verläuft sie wieder parallel zum Seeufer, ich sehe die große Fläche mit dem niedrigen Wasserstand und einer Unmenge von Stelzvögeln. Die Leute fischen in schmalen Holzbooten – zwei oder drei Mann in jedem. Entlang des Ufers ziehen sich steile Felshänge zum See hinab, abgelöst von breiten Stränden mit Sand und verbrannten Grasbüscheln. Sie bilden ein paar grüne Flecken, die überschwemmt werden, wenn das Wasser des Sees in der Regenzeit wieder steigt. Um diese Jahreszeit benutzen die Massai sie als Weidefläche für ihre Herden: Esel, Schafe, Ziegen und Zeburinder.
    Ich besuchte Ngana auch weiterhin im KCMC . Nichts passierte. Ich hatte Angst, dass sie ihn bald nach Hause schicken würden. Ich wollte für Sigve keine Entscheidung treffen. Ich wollte aber auch kein Instrument sein. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Eines Morgens fuhr ich ein paar Touristen nach Marangu, ein Gefallen für meinen älteren Bruder. Ich lieferte sie am Eingang des Kilimanjaro National Park ab und fuhr nach Moshi ins KCMC – hoffte, dass Sigve Dienst hatte. Zuerst sah ich aber nach Ngana, sein Bett war leer.
    »Wo ist Ngana?«, fragte ich die Krankenschwester, der ich ein bisschen Geld gegeben hatte, damit der Junge eine einigermaßen anständige Behandlung bekam.
    »Nein, keine Probleme«, sagte sie. »Er ist unten und probiert sein neues Bein aus.«
    »Weißt du, ob Sigve da ist?«
    »Du kannst hier auf sie warten.«
    »Nein, nein, ich muss gleich wieder fahren. Hat sie Dienst?«
    »Ja. Du findest sie gleich links vom Hinterausgang.«
    »Okay. Danke.« Ich ging die Treppen hinunter zum Hinterausgang. Links steht ein einstöckiges Gebäude. Es gibt keine Schilder, die mitteilen, welche Abteilung darin untergebracht ist. Ich öffnete die Tür und kam in ein menschenleeres Vorzimmer, das nach Desinfektionsmitteln, Entzündung und menschlichen Absonderungen stank. Ich stieß die beiden Schwingtüren auf und trat ein. Ich stand im Herzen der Hölle. Überall lebende Leichen. Der Gestank war unglaublich. Der längliche Raum war schlecht beleuchtet, aber ich sah Sigve. Sie stand mit dem Rücken zu mir und beugte sich über eines der Betten, die dicht an den Wänden standen, darin eine Frau und ein Kind. Ich wusste, wo ich war. Der Todesraum. Die Krankheit ist tabu – verbunden mit Scham. Die Familien verstecken Angehörige, die sich angesteckt haben. Nur Leute aus Familien mit Geld können sich das Krankenhaus leisten. Die Armen in den Dörfern liegen in den Hütten, verborgen vor den Blicken der Nachbarn. Die Familien behaupten, es handele sich um eine hartnäckige Malaria.
    »Du, mzungu «, sagte eine heisere Stimme neben mir. Ich sah hin: ein abgemagerter Rasta, dessen dreads sein knochiges

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