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Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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Fischer in schmalen Holzbooten auf dem Graben. Es gibt hier große Fische, die sich häufig direkt unter der Wasseroberfläche aufhalten, wo das Wasser sauerstoffhaltiger ist.
    »Ja, dort unten, im Fluss und im ganzen See – jede Menge Krokodile.« Wir fahren zurück zu Evil Spring. Obwohl dieser Fluss nicht austrocknet, sind Landschaft und Vegetation knochentrocken und verbrannt; unter der dünnen, unfruchtbaren Erdschicht gibt es nur Felsboden und Sand. An der heißen Quelle steht nun eine Mutter mit ihren beiden Kindern und wäscht mit energischen Bewegungen Wäsche in einer blauen Plastikschüssel. Sie steht auf, als sie uns hört – auch ihr Kleid muss in der Waschschüssel sein, denn ihre Brüste stehen groß und dunkelbraun vom Oberkörper. Die Kinder schreien mzungu , und ich rufe mwafrika ; die Frau lacht und winkt, ihre ansehnlichen Brüste hüpfen, Sigve winkt zurück. Afrikas wilde Menschen, denke ich, sie können Münder stopfen.
    In Moshi habe ich mich über Sigves Mann erkundigt. Ich habe die Mechaniker bei Chuni Motors gefragt, ob sie ihn in der Stadt gesehen hätten. Sie erzählen mir, dass er ins Golden Shower gehen würde – einem Restaurant mit Disco, etwas östlich von Moshi. Ich wollte wissen, ob eine Dame mit ihm zusammen war? Ja, sie meinten, er hätte dort eine Freundin – ein großgewachsenes Mädchen.
    »Weiß?«, wollte ich wissen. Schwarz, bekam ich zur Antwort.
    Ich bin kein Rassist. Farbe und Religion sind mir egal. Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht. Ich verstehe das Land. Weiße Liebe glaubt, es ginge um Gefühle. Schwarze Liebe ist Überleben. Du bist arm, ohne Bildung, ohne Möglichkeiten – was bleibt dir? Du hast einen Körper, du benutzt ihn. Überleben ist auch ein Gefühl.
    Wieder auf der Hauptspur der Schotterpiste fahren wir weiter nach Spillway – ein Fischerdorf, das nach dem Überlauf des Sees benannt ist. Dort läuft das Wasser auf der anderen Seite des Damms hinunter zum Fluss, wenn die Regenzeit mehr Wasser bringt, als das Kraftwerk bewältigen kann. In Spillway finden wir einen Kiosk mit lauwarmer Limonade. Sigve redet mit den Kindern, obwohl sie nahezu kein Wort Swahili spricht. Es sind zu viele, um ihnen Limonade zu kaufen, vermutlich hätte der Kiosk auch gar nicht genug Flaschen. Stattdessen kaufen wir Bonbons. Sie starren uns an, als wir unsere Wegzehrung essen. Sie fassen Sigves langes Haar an, das an den Stellen hell und feucht ist, wo der Sturzhelm saß. Der Pferdeschwanz knistert vor Staub. Und dann lachen sie, weil Sigve eine Zigarette raucht und Rauchringe ausstößt – über dreißig Kinder aller Altersstufen stehen dicht um sie herum, staunen und unterhalten sich aufgeregt. Als sie die Zigarette ausdrückt, wollen sie es noch einmal sehen. Sigve muss sich eine zweite Zigarette anzünden. »Mir wird schwindlig«, sagt sie schließlich und tritt sie im Staub aus, dann verneigt sie sich inmitten der Kinderschar in alle vier Himmelsrichtungen.
    Es gibt keinen Fisch, und einer der Jungen erklärt mir, dass Fisch erst um zwei Uhr abends angelandet würde – übersetzt heißt das um acht, denn auf Swahili bedeutet null Uhr dasselbe wie bei uns sechs Uhr.
    Afrikanische Lämmer und Schafe mit kurzer Wolle, Fettschwänzen und Hängeohren laufen im Dorf herum, außerdem Hühner, ein paar magere Hunde sowie Enten, die sonst eher selten sind. Die Hütten bestehen aus Holzpfählen und Lehm, mit hellen Wänden, weil die Erde sandig und salzhaltig ist. Die Dächer sind mit Schilf aus dem See gedeckt.
    Ich schaue auf die Uhr, es ist bereits zwanzig nach drei. »Wir müssen weiter«, sage ich. Ich kann mich nicht erinnern, wie lange die Rückfahrt nach Moshi auf der westlichen Seite des Sees dauert. Die Kinder laufen uns winkend und schreiend hinterher, als wir losfahren: erst ans Ufer und dann an den Überlauf, den die Deutschen mit mannshohen Wänden aus Beton und einem gegossenen Boden gebaut haben. Das erste kurze Stück an der Mündung ist breit wie eine Landebahn, damit heftige Überschwemmungen nicht die Erde fortspülen und das danebenliegende Dorf bedrohen. Hätten wir jetzt die lange Regenzeit, wäre es schwierig, auf diesem Weg zur Zuckerplantage TPC zu kommen: Die Fahrbahn wäre aufgeweicht, und die Reifen würden einsinken.
    Hinter Spillway teilt sich die Straße; ich biege links ab, weil die Sandspur benutzter aussieht; die rechte Spur führt vermutlich nur zum Ufer des Sees. Kurz darauf begegnen wir einem Eselskarren mit Brennholz. »Ich frag

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