Revolution - Erzählungen
steht. Wir sind auf dem südöstlichen Teil der Zuckerplantage, der nicht bewirtschaftet wird, weil der Boden zu salzhaltig ist, genau wie der größte Teil des Bodens um den Nyumba ya Mungu. Die Straße ist von einer dünnen Staubschicht überzogen, die aufwirbelt und überall eindringt. Wir kommen an einem großen grauen Dorf aus Lehmhütten mit Schilfdächern vorbei. Es gibt kein Licht, weil sie in den Dörfern keinen Strom haben. Wir sind ein ziemliches Stück vom See entfernt – wovon leben sie? Die Vegetation am Straßenrand ist versengt und trocken, wie verkrüppelt von der salzhaltigen Erde. Die Dunkelheit hat eingesetzt. Es ist halb sieben, und ich bin erleichtert, als wir wieder auf Hochspannungsmasten stoßen und die Straße sich an der Bahn entlangzieht. Ich weiß, dass die Bahnlinie nach Moshi führt. Ich habe das Licht eingeschaltet, denn bei der Staubschicht kann das Motorrad leicht ins Schleudern kommen. Hätte es geregnet, würden wir auf Schmierseife fahren. Wir folgen der Straße zwischen vereinzelten Siedlungen, ohne die TPC zu erreichen. Wir haben uns in Richtung Westen bewegt, seit wir den See verlassen haben, jetzt fahren wir in nördlicher Richtung. Die Blauen Berge sind viel zu groß, wir sind ihnen sehr nahe, und das bedeutet, dass wir noch immer ganz im Süden der Zuckerfabrik sind. In der Dunkelheit dauert es mindestens noch eine halbe Stunde, bis wir Moshi erreichen. Wir fahren über eine große Flussbrücke, auf der anderen Seite ist ein Kontrollposten mit Schlagbaum. Ich halte, grüße und erzähle, wo wir gewesen sind und wo wir hinwollen. Es ist der Mbuguni-Fluss, der Nyumba ya Mungu mit Wasser versorgt und auf der TPC für die künstliche Bewässerung genutzt wird – erst auf der anderen Seite des Staudamms heißt er Ruvu River. Ich drehe mich um und frage über die Schulter: »Bist du okay, Sigve?«
»Ja.«
»Wir sind bald in der TPC .«
»Ja«, sagt sie, mehr nicht. Ich fahre los. Die Fahrbahn ist besser. Der Geruch nach Melasse hängt in der Luft, wir sind ganz in der Nähe. Endlich, kurz nach der Brücke, steht an beiden Seiten der Straße Zuckerrohr. Wir fahren an einer Reihe von Feldarbeiter-Wohnhäusern der Plantage vorbei: kleine gemauerte Häuser mit Wellblechdächern. Und dann erreichen wir Langasani; elektrisches Licht in den Häusern, Asphalt, einzelne Straßenlaternen, und ein paar Schlaglöcher weiter sind wir bei der Kantine der Fabrikarbeiter. Ich bremse vor dem Eingang. Drehe mich um.
»Wollen wir hier etwas essen? Wir schaffen’s sowieso nicht zum Essen, wenn wir vorher noch unter die Dusche wollen.«
»Okay!« Sigve übertönt den Motorlärm. Ich kann ihrem Tonfall nichts entnehmen, schalte die Zündung aus. Sie steigt vom Motorrad. Ich schließe es mit der Kette an einen Zaun. Wir sehen uns an, etwas Unausgesprochenes steht zwischen uns.
»Komm«, sage ich und greife nach ihrer Hand. Wir gehen durch die Kantine nach hinten, dort gibt es eine Bar, ein Mann grillt Fleisch, Tische und Stühle unter den Bäumen.
»Bestell einfach etwas für mich«, sagt Sigve und setzt sich an einen Tisch. Ich bestelle bei der Kellnerin Cola, gegrilltes Fleisch und Kochbananen, Reis und Tomatensoße. Verspreche ihr ein gutes Trinkgeld, wenn es schnell geht. Wir warten aufs Essen.
»Wir müssen uns mit dem Bad beeilen, um noch zu der Fete zu kommen«, sagt sie.
»Wir dürfen das Eis nicht vergessen.«
Sie beugt sich vor und greift nach meiner Zigarette. Nimmt einen Zug. Gibt sie mir zurück. Ich beuge mich ebenfalls vor.
»Kommst du damit klar?«, fragt sie. Womit? Dass wir zu einer Fete bei ihren Freunden wollen? Dass möglicherweise ihr Mann auftaucht?
»Ja.«
»Was, wenn …« Sigve hält inne.
»Ich bin mit dir zusammen«, sage ich. »Ich bin glücklich.«
Sie greift auf der Tischplatte nach meiner Hand. Die Kellnerin kommt mit unseren Tellern.
»Gut«, sagt sie. Wir essen, wobei magere Katzen unseren Tisch umschleichen. Als wir fertig sind, gießt Sigve ein bisschen Cola auf den Boden. Sie hat mal gesehen, wie ich das mit Bier gemacht habe.
»Bist du Afrikanerin geworden?«, frage ich lächelnd. Sie sieht mich schräg an.
»Manchmal trinke ich mit meinen Vorvätern«, antwortet sie. »Genau wie du. So.«
Sie stellt die Flasche auf den Tisch. Ich nicke ihr zu. Wir stehen auf, die Katzen stürzen sich auf die Reste.
»Meine Schenkel beben«, sagt Sigve, als wir uns aufs Motorrad setzen. Wir fahren an der Verwaltung und der erleuchteten Fabrik vorbei; ein
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