Revolution - Erzählungen
dünner dunkler Schornstein spuckt den klebrigen schwarzen Rauch der Öfen aus, in denen trockenes gepresstes Zuckerrohr verbrannt wird, um Strom zu erzeugen. Aus einem breiteren silberfarbenen Schornstein quillt der überschüssige Dampf der Turbinen. Jetzt haben wir den guten Asphalt zwischen der TPC und Moshi erreicht. An der Straße verläuft die Eisenbahnlinie zur Plantage, ich sehe eine Diesellokomotive mit einem einzelnen Scheinwerfer, die langsam auf uns zukommt; sie zieht Waggon um Waggon, beladen mit Zuckerrohr. Die Fabrik arbeitet rund um die Uhr. Von den Feldern steigt an einzelnen Stellen Licht in den Nachthimmel; das sind die Plätze, an denen die Züge beladen werden, auch bei Nacht. Es ist sternenklar. Fledermäuse huschen im Licht des Scheinwerfers vorbei. Wir werden von einem Sprinkler getroffen, der am Straßenrand auf dem Feld steht. Im Nordosten steigt der Mond voll und rot auf.
»Wir werden feiern und tanzen!«, ruft Sigve. Es kommt so plötzlich, dass ich nicht weiß, wie ich reagieren soll. Ich habe aufgehört, an sie zu denken, weil ich sie die ganze Zeit über spüre. Ich sage nichts. »Damit das tote Kind in den Himmel kommt«, fügt sie hinzu.
»Ja!«, schreie ich zurück. Das tote Kind ist im Haus Gottes. Ist das nicht der Himmel?
Nach zwanzig Kilometern Zuckerrohr erreichen wir den Stadtrand von Moshi. Früher gab es hier bloß Felder, aber die Bevölkerung wächst und die Stadt breitet sich aus. Wir fahren durch Swahilitown, das Stadtzentrum, und weiter nach Shanty Town, halten vor dem Haus.
»Du zuerst«, sage ich, als wir eintreten. Sigve zieht ihre Sachen aus und wirft sie im Flur von sich, als sie ins Badezimmer geht. Glücklicherweise gibt es Wasser. In der Zwischenzeit hole ich den Topf mit dem Eisklumpen, klopfe ihn heraus und packe ihn in einen geflochtenen Einkaufskorb. In meiner Tasche habe ich saubere Sachen. Die Dusche wird abgestellt.
»Bitte sehr!«, ruft Sigve, ich gehe ins Bad. Sie frottiert sich nackt den Rücken. Ich küsse eine ihrer Brüste, sie lacht. Ich gehe unter die Dusche. Als ich herauskomme, hat Sigve ein weißes Kleid mit eingenähten Silberfäden angezogen; es lässt ihre sonnengebräunte Haut glühen. Wir nehmen Sigves Wagen, um zur Fete zu fahren.
Stromausfall. Das Haus liegt im Dunkeln, mit Ausnahme einer Petroleumlampe, die auf der gegossenen Betonplatte an der Eingangstür steht und die Insekten anzieht. Wir treten ein und gehen vorsichtig auf das gedämpfte Murmeln im Wohnzimmer zu. Sie haben Kerzen angezündet.
»Sigve!«, ruft eine Kinderstimme – ein kleines Mädchen kommt angelaufen und umklammert Sigves Bein.
»Hey, Schatz.« Jetzt kommt auch die Gastgeberin und begrüßt uns – eine Australierin.
»Wir stehen alle draußen und sehen uns die Sterne an. Nehmt euch etwas zu trinken.«
»Wo soll das Eis hin?«, frage ich sie. Sie zeigt in Richtung Badezimmer – die Badewanne ist voll mit importiertem Carlsberg Dosenbier und tansanischen Tonic-Flaschen. Er gibt bereits jede Menge Eis zum Kühlen, so dass ich den Klumpen nur in die Wanne lege und den leeren Korb zum Auto bringe. Ich zünde mir eine Zigarette an, bleibe stehen und rauche. Ich habe keine Lust, mich vor einem Haufen Entwicklungshelfertouristen mit blutenden Herzen zu rechtfertigen. Gehe durchs Haus, auf die Veranda, hinunter in den Garten. Die Leute kommen mir schemenhaft vor, außer Sigve, deren Kleid im Sternenlicht weiß glitzert. Ich gehe zu ihr. Der australische Gastgeber fängt an, mich auszufragen: ein Weißer, in Tansania geboren, ein seltenes Exemplar.
Die beiden Kinder der Gastgeber laufen zwischen den Gästen umher und bieten Snacks an: Erdnüsse und dünne Kokosnuss-Scheiben, im Ofen mit Salz geröstet. Es ist ein sehr weißes Fest, mit Ausnahme von ein paar einheimischen Ärzten und einem einzelnen Inder.
Ein Paar kommt über den Rasen und wird einen kurzen Moment von einem Auto erleuchtet. Tore und eine schwarze Frau.
»Guten Abend«, grüßt er in die Runde. Die Leute nicken und murmeln. Alle sind merkwürdig still, vielleicht, weil es dunkel ist und keine Musik läuft. Tore gibt ein paar von den schwarzen Ärzten die Hand und stellt seine Begleiterin vor: Tunu. Sie ist groß und schlank, vermutlich Massai. Tore unterhält sich mit den Ärzten über die Stromversorgung im Operationssaal, es geht um einen defekten Generator. Tunu steht ein Stück hinter ihm. Sie kennt vermutlich niemanden hier. Sie wartet. Niemand kann es mit einem Afrikaner aufnehmen, der
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