Revolution - Erzählungen
angerufen und behauptet, er wäre krank, es ginge ihm schlecht; angeblich hatte er Durchfall und sich die ganze Nacht übergeben. Ob der Großhändler nicht zu ihm nach Hause kommen und das Haschisch abholen könne? Ja, sicher, gar kein Problem, sie sind doch gute Freunde. Und der Mann kommt in die Wohnung, und Jacques scheint total fertig zu sein. Ich hab’s ja auch geglaubt. Er kann so etwas, er erfindet einfach irgendetwas, und man ist gefangen von seinen manipulatorischen Fähigkeiten. Jacques ließ den Großhändler in die Wohnung und sagte: »Oh, hey, du, nein, mir geht’s gar nicht gut, das ist … dieser Scheißaraberfraß in Marokko … puh, öh … oh Mann, es liegt da drüben unter der Liege, ahh, gib mir gerade das Geld … Danke … oh Mann, kannst du selbst hingehen und nachsehen, ich muss unbedingt aufs Klo.« Unsere Toilette lag an der Hintertreppe, und Jacques hatte vorher an die Außenseite der Küchentür einen Riegel montiert. Er lief zur Hintertreppe, legte den Riegel vor die Tür, schloss mit einem Hängeschloss ab und schlich sich hinunter zum Hof und auf die Straße. Dort sprang er in ein Taxi, dass er hatte warten lassen. Und der Großhändler dachte, Jacques säße auf dem Klo. Er ging zu dem Kasten, um den Stoff zu untersuchen. Es war so ein Kasten unter einer Liege, und Jacques hatte dafür gesorgt, dass es klemmte. Als Jacques auf der Treppe war, hörte er, wie der Großhändler den Kasten herausriss und einen gewaltigen Lärm veranstaltete. In dem Kasten lagen natürlich eine Menge Päckchen, die alle so ähnlich aussahen – so durchtrieben war die Nummer geplant. Doch bis der Großhändler begriff, dass er gewaltig verarscht worden war, saß Jacques bereits im Taxi zum Flughafen.
Mir läuft es kalt den Rücken hinunter. All diese Pläne. All die Sachen, die hätten schiefgehen können, wenn man nicht daran glaubte. Was wäre gewesen, wenn der Großhändler darauf bestanden hätte, die Ware zu sehen, bevor er ihm das Geld gab? Na ja … und damals, als wir von Casablanca mit den doppelbödigen Koffern fliegen sollten und Jacques dafür sorgte, dass wir erst in der letzten Sekunde am Flughafen ankamen. Es hätte so oft etwas schiefgehen können.
Jacques wusste natürlich, dass ich nie einverstanden gewesen wäre, den armen Großhändler übers Ohr zu hauen. Und jetzt weiß ich nicht einmal, ob er die Wahrheit sagt. Vielleicht hat er sich diese Geschichte in seinem kranken Hirn ausgedacht, damit ich Angst habe, nach Hause zu fahren. Er denkt an alles. Natürlich hat er die ganze Zeit gewusst, dass ich irgendwann genug von ihm haben würde. Weil er einfach zu hitzköpfig ist. Aber jetzt muss ich damit rechnen, dass ich für seinen Mist zur Rechenschaft gezogen werde, wenn ich nach Kopenhagen zurückkehre.
»Dann bist du gar nicht zu Mette gefahren?«
»Nein.«
»Und was ist mit der Lampe, die du ihr gekauft hast?«
»Die habe ich mit einem Taxi geschickt.« Er hat auf alles eine Antwort. Vielleicht ist es die Wahrheit, ich weiß es nicht. Beim ihm ist ganz einfach eine Schraube locker.
»Das ist einfach zu abgefahren«, sage ich.
»Erinnerst du dich an die Reiseausrüstung, die ich gekauft habe, kurz bevor wir aufgebrochen sind?«
»Ja, und?«
»Zelt, Schlafsäcke, Rucksäcke?«
»Ja.«
»Ich hab’s mit unserer Kundenkarte im Magasin auf Kredit gekauft«, erklärt er.
»Ich hab gar keine Kundenkarte im Magasin.«
»Doch, hast du. Ich habe eine angefordert, die sowohl von mir als auch von meiner kleinen Frau benutzt werden kann.«
»Scharlatan!«, sage ich. Er grinst nur.
Beim Joggen sinke ich zusammen und kann mich nicht mehr rühren – als würde sämtliche Kraft aus mir herausgepumpt. Aber ich habe keine Schmerzen. Rasch komme ich wieder auf die Beine, ich spüre nichts. Und ich erzähle Jacques auch nichts, sondern höre einfach auf zu joggen. Und rauche total viel Pot, um es in seiner Nähe überhaupt auszuhalten. Aber das Pot wendet sich gegen mich. Ich spüre seine Gedankenwellen geradezu physisch im Zimmer – ich fühle, wie ich zerquetscht werde. Jacques läuft im Kreis herum wie ein Löwe im Käfig. Mit den Travellerschecks muss etwas passieren, bevor es zu spät ist. Er ist überzeugt, dass er nur tief genug in den Busch zu gehen braucht; dort haben sie sicher nicht die neuesten Listen über gestohlene Schecks. Mann, was für ein Zirkus, nur wegen so ’n bisschen Geld – statt eine ehrliche Arbeit anzunehmen. Ganz plötzlich sacke ich wieder zusammen, mit
Weitere Kostenlose Bücher