Revolution - Erzählungen
auf einer Hotelterrasse, trinken Gin-Tonics und genießen die Aussicht über den Tanganjika-See, als ich eine jüdisch aussehende Frau mit ihren hellhaarigen Kindern Dänisch reden höre. Sie heißt Anne, ist Psychologin und erzählt mir, dass sie hier ist, um die Angehörigen der Opfer des Völkermords von 1972 zu behandeln, als die herrschenden Tutsi auf Befehl ihres Präsidenten fast fünfzehntausend Hutus ermordet haben. Wow – man kann es den Leuten überhaupt nicht ansehen, obwohl es erst fünf Jahre her ist.
Zurück in Nairobi wende ich mich wieder an die Botschaften, und die französische Botschaft verweist mich an die örtliche Polizei in Nairobi. Sie sind unglaublich hilfsbereit. Der Polizeibeamte sagt: »Uganda, das sieht ziemlich übel aus.« Es scheint, als würden sie den Fall tatsächlich untersuchen, aber niemand hat etwas gehört – auch die französische Botschaft in Kampala nicht. Gleichzeitig bin ich in Sorge, dass sie zu viel über die Sachen herausfinden, die wir am Laufen hatten. Ich mache also nicht allzu viel Druck. Ich habe Angst um meinen eigenen Arsch.
Sonderlich viel Geld in einwechselbaren Travellerschecks habe ich nicht mehr, denn Jacques hat das meiste mitgenommen, als er aufbrach. Natürlich habe ich Zugriff auf das Konto in der Schweiz, aber als ich es überprüfe, sind nach unserer zweijährigen Reise nur noch zehntausend Kronen übrig. Ich hebe sie ab. Ich habe überhaupt keine Ahnung, wie viel Geld wir verbraucht haben. Ich habe Jacques die Finanzen einfach überlassen und mich um nichts gekümmert. Durchaus möglich, dass er gerade die Hälfte oder das Allermeiste abgehoben und für mich nur einen Rest hat liegen lassen. Ich muss herausfinden, was mit dem Gold ist, das ich noch immer habe. Bevor Jacques losfuhr, hat er mir gesagt, wo ich es verkaufen könne, sollte er nicht zurückkommen. Und was ich dafür bekäme. Und ich habe ihm gesagt, ich wolle ihn eine Zeit lang nicht mehr sehen. Also … vielleicht ist er einfach abgehauen? Denn selbstverständlich musste er die Initiative ergreifen und gehen. Nicht ich bin es, die zu sagen hat: »Jetzt will ich nicht mehr.« Nein, er hat sich von mir zu trennen, weil er so ein stolzer Krieger ist, ein großer Mann und all dieser Mist. Tja, manchmal denke ich: Er hat mich vielleicht wirklich einfach nur verlassen.
Ich habe noch Geld für ein weiteres halbes Jahr in Kenia und das Rückflugticket. Außerdem habe ich die Goldklumpen. Ich fahre noch einmal nach Lamu Island und Twiga Beach in Mombasa. Jedes Mal, wenn ich irgendwo ankomme, habe ich Angst, dass Jacques mit einem Bier in der Hand auf der Veranda sitzen könnte. Ich habe Angst, dass er tot ist, aber ich habe auch Angst, dass er wieder auftaucht, denn jetzt habe ich meine Freiheit, und darüber bin ich glücklich. Ich bin total offen, lebe richtig auf und mache eigene Bekanntschaften. Jacques hat sich immer mit irgendwelchen Leuten mit finsteren Plänen getroffen, ich dagegen begegne eher kreativen und lustigen Menschen, die die ganze Nacht spielen, mit einem Gutenachtjoint unter den Palmen sitzen und sehen wollen, wie die Sonne aus dem Meer steigt.
Ich treffe ein holländisches Paar – Mariann und Ruben –, die eine Safarifirma betreiben und Motorradtouren für europäische Touristen organisieren. Leider liegt Präsident Jomo Kenyattas Schatten auf der Firma, er hat sich in den Laden verguckt und will ihn übernehmen. Daher verlieren Mariann und Ruben ihre Aufenthaltserlaubnis und sind gezwungen, ihre Firma billig an den Neffen des Präsidenten zu verkaufen. Sie organisieren eine Abschlusstour für eine Gruppe von Freunden und laden auch mich dazu ein. Wir wandern durch die Gegend am Rifttal, ein Land Rover transportiert unsere Zelte, die Lebensmittel auf Eis, den Wein, das Bier und das Pot. Pot ist in Afrika echt klasse – wegen des vielen Sonnenscheins. Jeden Abend gibt’s die große französisch-afrikanische Küche, und als uns der Tee ausgeht, stopfen wir einfach einen halben Arm voll Pot in den Kessel – wir halluzinieren beinahe. Dschungel und offenes Buschland, Felsformationen und Schluchten, das Land ist voller Antilopen, Wildschweine und Affen. Ein Löwe tötet frühmorgens in der Nähe des Lagers – ich höre sein Brüllen und den Schrei eines reedbuck ; dann das Heulen sich nähernder Hyänen: mpwouuwiiip, mpwouuwiiip . Die anderen stürzen aus den Zelten, um zu sehen, was vor sich geht, aber ich krieche bloß tiefer in meinen Schlafsack – nichts für
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