Revolution - Erzählungen
mich. Ein paar Stunden später wage ich mich heraus. Ich sehe mir den Tatort an, die ganze Gegend stinkt nach Löwe – Raubtiergestank. Der Bock ist aufgefressen. Nur Hautfetzen und ein paar Knochen liegen noch da. Fünfzig Meter von meinem Zelt entfernt; mir läuft es kalt den Rücken hinunter.
Lehrling
In Nairobi verkaufe ich das Gold an die Leute, deren Adresse mir Jacques gegeben hat. Eigentlich ist es langweilig: ein paar übergewichtige Inder, die in einem traurigen Büro sitzen. Ich komme mit der Ware, und sie wissen bereits, wie viel es ist – vielleicht haben sie es bereits gesehen. Aber sie wiegen das Gold, zeigen mir das Gewicht auf der Skala der Waage und schreiben mir ihr Angebot auf. Von Jacques weiß ich, wie viel ich zu erwarten habe, es stimmt, ich bekomme es. Sie geben mir das Geld in Kenia-Schillingen, und damit veranstalte ich meine eigene kleine Schwindelei.
Es wird Zeit, nach Hause zu fahren, denn die Kasse ist beinahe leer. Außerdem brauche ich auch ein bisschen für den Neuanfang, wenn ich nach Kopenhagen komme. Das Gold ist ungefähr achttausend Kronen wert, dafür will ich Travellerschecks, die ich außer Landes mitnehmen kann, denn Kenia-Schillinge lassen sich ausschließlich in Kenia verwenden. Ich gehe in eine Bank und trete mit großen Tränen in den Augen an den Schalter, ich bin … völlig außer mir. In Kenia ist es für Ausländer eigentlich unmöglich, mit Kenia-Schillingen in eine Bank zu gehen, um sie in westliche Valuta oder Reiseschecks zu wechseln. Hinter dem Tresen sitzt eine kleine gepflegte Negerdame.
»Ich hoffe, Sie können mir helfen«, sage ich schluchzend, und sie steht auf und hilft mir auf einen Stuhl. Und ich liefere meine Geschichte ab: Mein Mann und ich sind seit einer Weile hier und hatten geplant, auf die Seychellen zu reisen; wir hatten bereits all dieses Kenia-Geld abgehoben, um die Tickets zu kaufen. »Aber dann hat mein Mann eine andere kennengelernt und mich verlassen, und jetzt will ich nur noch nach Hause«, heule ich – ich bin total von mir selbst überzeugt. Und die Negerdame ist wirklich nett.
»Ohhh, Missus. I’m so sorry. Oh, I’m so sorry for you.«
»I’m sorry, too«, schniefe ich. Und dann steht sie auf und redet mit ihrem Chef. Und ich sitze da und weine und schluchze. Sie kommt zurück und erklärt mir tröstend: »It’s alright – it’s gonna be alright, you know.«
Ich bekomme meine Travellerschecks, kaufe mir ein Flugticket und verstecke den Rest. So viel habe ich doch von meinem schrecklichen Lehrmeister gelernt.
Am vorletzten Tag sitze ich auf der Terrasse des Norfolk Hotels, auf der Baronesse Blixen Gin-Tonic mit Denys Finch Hatton trank. Überall alte, dicke Amerikaner, aber zu mir setzt sich ein junger Mann. Pierre heißt er, halb Deutscher, ein Viertel Engländer, ein Viertel Österreicher. Seiner Familie gehört die Kahawa Mountain Lodge bei Arusha in Tansania, sie organisieren Luxussafaris. Pierre lädt mich zum Abendessen ein, wir tanzen erst auf der Tanzfläche und dann in seinem Bett – so intensiv, dass das Kondom platzt. Er fragt, ob ich mit nach Tansania komme, aber ich muss doch am nächsten Tag fliegen.
»Solltest du jemals nach Tansania kommen, dann komm vorbei«, sagt er und gibt mir die Adresse der Lodge.
Im Flughafen habe ich Phantomschmerzen in der Möse, als ich an den Zöllnern und den bewaffneten Polizisten vorbeigehe. Ich fliege nach Kreta. Ich will nicht zu schnell zurück nach Hause. Ich nehme den Magic Bus von Athen nach Amsterdam – einen total billigen Hippiebus, der quer durch Europa fährt. Von der Fahrt wird mir unglaublich übel, ich kotze die ganze Zeit. Ich bleibe eine Weile in Amsterdam, fahre dann mit dem Zug nach Kopenhagen. Ein wenig nervös bin ich schon wegen der Nummern, die Jacques mit dem Haschischgroßhändler und der Kundenkarte des Magasin abgezogen hat, außerdem hatten wir vor unserer Abreise noch einen kleinen Steuerschwindel organisiert, um ein bisschen Geld zusammenzukratzen. Mir ist beklommen zumute, aber es hilft nichts.
Ich wende mich ans Use it im Huset, miete eine Wohnung und melde mich beim Einwohnermeldeamt. Es passiert nichts. Bis ich aufs Polizeirevier vorgeladen werde, wo man mich wegen dieses Jacques Rouvre verhört, den irgendjemand wegen des Raubs irgendwelcher Schmuckstücke angezeigt hat. Und dann gibt es natürlich noch diesen Haschischgroßhändler. Er hat von der Polizei Jacques’ Festnahme auf dem Flughafen Kastrup verlangt, damals, als wir
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