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Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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abflogen, aber er konnte ja nicht sagen, dass es sich um Haschisch handelte.
    »Davon weiß ich nichts«, sage ich zu dem Polizeibeamten. »Von Schmuck habe ich nie etwas gehört. Und im Übrigen ist mein Mann verschwunden.« Der Polizist bohrt nicht weiter nach. Wie sich herausstellt, sitzt der Drogendealer im Gefängnis, und die Polizei hält nicht viel von seinen Geschichten. Wegen ihm muss ich mir also keine Sorgen machen.
    Ich habe nirgendwo mitgeteilt, dass Jacques verschwunden ist. Wem sollte ich es auch melden? Schließlich rufe ich im Außenministerium an und werde zwölf Mal durchgestellt, bevor ich einen Mann an den Apparat bekomme, der sagt: »Uganda? Hm, das sieht finster aus.«
    »Aber was ist mit meinem Mann?«
    »Nun ja, er ist kein dänischer Staatsbürger. Aber ich notiere den Fall, und ich verspreche, dass Sie von uns hören, wenn wir etwas hören.«
    Ich habe ein sonderbares Gefühl im Bauch. Vielleicht habe ich eine Menge Würmer mit nach Hause gebracht. Ich gehe zum Arzt. »Sie sind schwanger«, sagt er. Aha. Ich schreibe Pierre in Tansania und frage ihn, ob er es ernst meinte, als er sagte, ich solle vorbeikommen? Ich schreibe nichts über meinen Bauch. Der Postverkehr funktioniert offenbar nicht sonderlich gut, denn ich bekomme keine Antwort. Oder er hat es nicht so gemeint.
    Grüße von Idi
    Ich arbeite als Kartenabreißerin im Grand Kino. Kopenhagen hat sich verändert, es gibt kaum noch Straßenmusiker. Es ist ein eigenartiges Gefühl, mit Jacques verheiratet zu sein – ob er nun tot ist oder nicht –, und gleichzeitig wächst Pierres Kind in mir heran.
    Ich beschließe, mich scheiden zu lassen oder herauszufinden, ob ich jetzt Witwe bin beziehungsweise wie ich mich verhalten soll. »Wir lassen ihn durch den Bundesanzeiger suchen, und wenn er nicht reagiert, werden Sie in absentia von ihm geschieden.« Da er nicht wieder auftaucht, lassen wir den Dingen ihren Lauf und tun so, als hätte Jacques in eine Scheidung eingewilligt. Denn es gibt ja keinen endgültigen Beweis für seinen Tod. Ich sitze mit meinem schwangeren Bauch auf dem staatlichen Standesamt, und der Beamte fragt mich, ob ich meinen früheren Namen zurückhaben möchte.
    »Nein, ehrlich gesagt. Ich heiße gern Rouvre.«
    »Das verstehe ich gut«, erwidert er. »Das ist amüsanter als Petersen.« Der Mann schaut auf meinen Bauch.
    »Nein, das ist nicht von ihm«, sage ich. Der Mann lächelt und zeigt auf meine Hand.
    »Wollen Sie den Hochzeitsring weiterhin tragen?«
    »Ich weiß nicht, ob er tot ist. Vielleicht bin ich ja Witwe?«
    »Sie könnten den Ring an der linken Hand tragen.«
    »Wieso?«
    »Dann können potentielle Bewerber sehen, dass Sie Witwe sind.«
    Ich gehe über den Rathausplatz, und da liegt Jacques auf einer Bank und schläft. Ich bekomme einen Schock. Er sieht genauso aus wie er. Ich trete ganz nah heran, mit Augen groß wie Teetassen, zittere vor Nervosität. Ich bin einfach total … ohhh, nein – das ist er . Und gleichzeitig innerlich jubilierend, meine Fresse, Mann, wenn er es ist, dann wurde er nicht ermordet. Und dennoch: Ohhh nein, was jetzt? Was passiert jetzt? Aus ist es mit der Witwe Rouvre . Natürlich ist er es nicht. Aber es quält mich, dass ich nicht weiß, was wirklich mit ihm passiert ist.
    Ich finde eine neue Wohnung, in der mein Kind es trocken und warm haben wird, und arbeite weiter im Grand, bis das Fruchtwasser abgeht. Ich bringe einen Jungen zur Welt, der exakt die gleiche Kopfform hat wie Pierre. Im Krankenhaus lese ich in der Zeitung, dass Idi Amin Tansania angegriffen hat – Tansania hatte sein Heer nach Uganda geschickt, um Idi Amin zu vertreiben. Auf dem Sozialamt muss ich unterschreiben, dass ich nicht weiß, wer der Vater meines Kindes ist, um etwas Geld zum Leben zu bekommen. Es ist nicht lustig, mit dreiundzwanzig eine alleinerziehende Mutter zu sein. Aber der Junge ist hübsch. Ich nenne ihn Anton.
    Als Anton sechs Monate alt ist, erhalte ich einen Brief aus dem Außenministerium. Ein englischer Professor würde gern Kontakt mit mir aufnehmen. Ich schreibe dem Mann und bekomme Antwort: Er ist Geschichtsprofessor und wurde nach Idi Amins Fall nach Kampala geschickt, um die Archive der ugandischen Geheimpolizei durchzusehen. Dort fand er einen Brief von Jacques Rouvre an Idi persönlich , in dem Jacques berichtet, wie er und Florian im Informationsministerium interniert wurden und dass sie seit siebenunddreißig Tagen festgehalten werden. Jacques kommt mit allen möglichen

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