Revolution - Erzählungen
wollen nicht Tennis spielen«, sagt Parminder mit ihren lackierten Fingernägeln, dem Goldarmband, ihrem orangefarbenen Sari, den hochhackigen Sandalen und dem dicken Zopf, der ihr den Rücken hinunterfällt.
»Ich schon«, erwidere ich und gehe auf den Platz. Samantha steht auf der anderen Seite des Netzes.
»Was ich gesagt habe«, sagt sie.
»Was hast du gesagt?«
»Du bist eine Tennisspielerin«, antwortet sie und schlägt auf. Ich breche mir einen Nagel ab, und es reißt in meinem Arm, als ich treffe, aber der Ball fliegt weit, weit, weit davon. Vielleicht bis nach Kanada.
Uhuru Peak
Ich nehme ein matatu nach Himo und weiter bis Marangu. Die Straße steigt an. Bauern pflanzen Bananen, Kaffee, Mais, Bohnen und alle möglichen Sorten Gemüse. Es gibt Mangobäume und wohlgenährte Kühe. Die letzten fünf Kilometer bis zum Tor des Kilimanjaro National Park laufe ich. Dort stehen eine Menge Träger und versuchen, Arbeit zu finden.
»Du brauchst einen Guide«, sagt der Parkbeamte im Büro.
»Aber ich kenne den Weg«, erwidere ich auf Swahili.
»So steht’s in den Regeln.«
»Okay, ich finde jemanden.«
»Er muss ein Zertifikat als Guide haben«, erklärt der Beamte.
»Bis später.« Ich gehe zurück zum Tor. Mist. Der Pfad auf den Berg ist so niedergetrampelt, dass jedes Kind den Weg finden würde. In der Fußballmannschaft der Schule sind wir zum Training oft bis zur ersten Hütte und wieder zurück in einem Stück gelaufen. Für die meisten war das nichts Besonderes, aber ich war fett. Mit der Schule bin ich auch oben am Gillman’s Point gewesen. Von der dritten Hütte an habe ich nur noch gekotzt und konnte nicht mehr bis zum Uhuru Peak aufsteigen, dem höchsten Punkt. Jetzt laufe ich sechzig Kilometer in der Woche. Ich muss nur hoch und wieder runter. Ich gehe auf der Straße nach Marangu zurück und werde von einer freundlichen Person mit dreads angesprochen.
»Ich heiße Eddy«, sagt er.
»Panos.«
»Ich kann mit dir gehen und deine Sachen tragen.«
»Hast du ein Zertifikat als Guide?« Eddy breitet die Arme aus.
»Nein«, sagt er entschuldigend. »Aber ich würde gern tragen.«
»Ich kann die Sachen selbst tragen.«
»Hast du eine Zigarette?«
»Ja.« Wir setzen uns an den Straßenrand. Rauchen. Ich erkundige mich nach einem billigen Guesthouse. Er empfiehlt mir eins. Ich frage mich durch und finde einen Guide – Samueli –, dem ich meinen Plan erzähle.
»Okay, wir machen es folgendermaßen: Morgen steigen wir bis zur zweiten Hütte auf, schlafen dort, gehen zum Gipfel und zurück zur zweiten Hütte, schlafen ein bisschen und gehen dann zurück zum Tor. Schaffst du das?«
»Gar kein Problem«, sagt Samueli. Natürlich, er ist in Form. Er lebt davon, bis zum Gipfel zu gehen. Okay.
In einem billigen Restaurant nehme ich eine große Mahlzeit zu mir. Ich muss in weniger als fünf Tagen wieder am Kilimanjaro Flughafen sein und in mein Exil nach England zurückfliegen.
Die letzten paar Tage bin ich mit meinen Eltern in Arusha gewesen, daheim in Iringa kann ich sie nicht besuchen. Ich könnte ermordet werden. Stefano und seine Familie wohnen noch immer dort, und sein Vater könnte durchaus jemanden anheuern, der mich erledigt – teuer ist das nicht. Stefanos Gleichgewichtsnerv ist beschädigt und sein Gesicht verunstaltet. Vor etwas über einem Jahr habe ich ihn verprügelt, weil er nicht eingegriffen hat, als Baltazar Samantha vergewaltigt hat. Und jetzt ist Samantha tot. Deshalb muss ich auf den Berg. Um mich zu verabschieden. Niemand weiß genau, was passiert ist, aber irgendwie war sie in Daressalaam mit den falschen Leuten zusammen – zu viele Drogen, sagt Mick.
Ich gehe ins Bett. Schlafe, solange ich kann, und vertilge ein großes Frühstück. Samueli holt mich ab, wir gehen zum Tor. Ich habe Reis, Zwiebeln, Karotten und Dosenbohnen dabei. Am Straßenrand kaufe ich Bananen und Erdnüsse in einer spitzen Papiertüte. Ich habe eine Wasserflasche, Laufschuhe an den Füßen, meine Winterjacke, den Schlafsack, einen Topf mit Deckel. Alles in einem kleinen Rucksack. Keinen Gaskocher oder Ähnliches. Ich nehme einen Joint und eine Kerze mit. Ich muss eine Kerze auf den Uhuru Peak bringen. Das ist die Mission, ich will die Tour nicht nur genießen.
Wir kommen zum Tor und dem Büro. Derselbe Parkbeamte wie gestern. Ich habe mir Micks Pass geliehen; darin ist ein Stempel mit Micks Aufenthaltserlaubnis, damit ich in den Genuss des lokalen Tarifs komme und nicht in ausländischer Valuta
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