Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
Vom Netzwerk:
war.
    »Waren es Krieger, die wahehe ?«, will Samueli wissen.
    »Sie waren die Einzigen, die ernsthaft Widerstand leisteten, als die Deutschen vor bald hundert Jahren Tansania kolonisierten«, erwidere ich, lege den Kopf in den Nacken und schreie: » Hee-hee! – der Name des Stammes geht auf das Kriegsgeheul der Krieger zurück.«
    »Aber die Deutschen haben sie geschlagen«, sagt Samueli.
    »Nein. Die Deutschen haben sie mit afrikanischen Truppen angegriffen, die ihre Dörfer bis auf die Grundmauern niederbrannten und die Unterhändler des Häuptlings erschossen. Der Häuptling hieß Mkwawa, er nahm es als Kriegserklärung und lockte die Deutschen bei Lugalo in die Falle. Dreitausend wahehe -Krieger griffen an, die meisten Deutschen wurden getötet und ihre Waffen als Kriegsbeute genommen.«
    » Eeehhh «, sagt einer der Träger. »Aber die Deutschen kamen wieder.«
    »Ja. Sie griffen das Fort der hehe an, aber Häuptling Mkwawa konnte flüchten und begann einen Guerillakrieg. Die Deutschen konnten ihn sieben Jahre nicht fangen, obwohl sie eine Belohnung auf seinen Kopf ausgesetzt hatten.«
    »Ein großer Häuptling«, sagt der Träger.
    »Aber schließlich haben sie ihn doch bekommen.«
    »Wann?«, fragt Samueli. Ich rühre im Topf.
    »1898«, antworte ich und stehe auf. »Die Deutschen hatten Glück und umzingelten das Gebiet, in dem sich Mkwawa versteckte. Sie näherten sich von allen Seiten.« Ich lege Holz aufs Feuer. »Als dem Häuptling klar wurde, dass er nicht entkommen konnte, entfachte er ein Lagerfeuer und nahm sein Gewehr.« Ich greife mir einen Ast und ziele damit wie mit einem Gewehr auf mich selbst. Ich stehe mit dem Rücken zum Feuer. »Er hat sich selbst so erschossen, dass sein Körper in die Flammen fiel – PAH ! « Ich lasse mich am Rand des Feuers zu Boden fallen. Alle schauen mich an. »Er hat das getan, weil er nicht wollte, dass die Deutschen ihn in die Finger bekamen, auch nicht als Toten. Trotzdem zog ein deutscher Unteroffizier die Leiche aus den Flammen, schoss ihm in den Kopf, schnitt den Kopf ab und nahm ihn mit nach Iringa.«
    »Barbaren«, sagt der Träger.
    »Tja. Der Kopf wurde nach Deutschland geschickt und in einem Museum ausgestellt; die wahehe konnten nur den Körper ihres Häuptlings begraben.«
    »Diese wazungu waren schlecht«, sagt der Träger.
    »Aber dann nahmen die Briten den Deutschen in einem großen Krieg den Tanganjika weg, und dabei halfen die hehe den Engländern. Und als Dank beschafften die Briten ihnen den Schädel des Häuptlings und übergaben ihn Mkwawas Enkelkind.«
    »Das war gut«, sagt der Träger.
    Ich esse mein Gemüse am Feuer und rauche eine Zigarette, bevor ich aufstehe, gute Nacht wünsche, meinen halbleeren Topf mitnehme und zu der großen Hütte gehe, in der die Touristen schlafen – der Weg hat mich doch erschöpft.
    Innen sitzen deutsche und französische Touristen um einen Esstisch, der mit Porzellantellern, Besteck und Weingläsern gedeckt ist – weiße Touristen aus dem Marangu Hotel auf einem Ausflug. Alles wird hinaufgetragen. Auf dem Tisch liegt eine Decke, es gibt Wein und einen Kellner in weißer Jacke; vor der Tür stehen die Köche und braten Fleisch, bereiten Pommes Frites und mischen den Salat.
    Ich stelle den Topf an meinen Schlafplatz, gehe hinaus und lasse mir von den Köchen eine Tasse Tee geben – unterhalte mich ein bisschen mit ihnen und rauche die letzte Zigarette des Tages, während die vornehmen Touristen speisen. Ich lege mich hin. Ganz in meiner Nähe liegt ein französisches Pärchen – sie sind ziemlich laut. Es klingt, als würde die Frau allein masturbieren und stöhnen, der Mann ist ganz still.
    In wenigen Tagen muss ich zurück nach England. Ich gehe auf die Landwirtschaftsschule, damit ich hierher zurückkommen und eine Tabakfarm betreiben kann wie mein Vater. Aber ich bin mir nicht sicher. Der Unterricht in Geologie und Chemie ist ausgezeichnet, aber es sind keine tansanischen Verhältnisse, und nie gibt es praktische Übungen an der Schule. Nachmittags und abends arbeite ich an einer Tankstelle. Doch es ist schwer, über die Runden zu kommen, deshalb habe ich in den letzten paar Monaten auch noch nachts als Kofferpacker in Heathrow gearbeitet. Vielleicht sollte ich die Schule schmeißen und nur noch arbeiten, um Geld zusammenzukratzen. Man könnte in Tansania ein Geschäft aufziehen – vielleicht ein Safari Camp für wohlhabende Touristen am Rand des Ruaha Nationalparks –, aber man braucht Startkapital.

Weitere Kostenlose Bücher