Revolution - Erzählungen
drücken.
»Rachel!«, ruft die mama .
»Geh nur«, sagt der Kaufmann und scheucht mich mit einer Handbewegung weg. »Komm sofort her!«, ruft er dem Mädchen an der Hintertür zu. Träge schiebt sie ihren Körper mit der Hüfte voran vom Türrahmen und geht langsam über den Hofplatz. Dieses Mädchen muss eine Idiotin sein. »Schnell, schnell«, sagt der Kaufmann wütend, als sie auf ihn zukommt. »Du musst auf die Kunden achten, die hier sind.«
»Ich achte darauf«, erwidert sie und blickt zu Boden.
»Du sollst sie fragen, ob sie etwas trinken möchten.«
»Ich sehe, wenn sie etwas wollen, sie geben mir Zeichen«, behauptet sie und wendet den Blick ab.
»Du musst hingehen und sie fragen«, erklärt der Kaufmann.
»Ja«, sagt sie. Aber ich sehe, dass sie es für entwürdigend hält, die Leute zu fragen.
»Hol mir eine Fanta«, sagt er.
»Okay.« Träge bewegt sie sich über den Hof, eben wie ein Mädchen aus der Stadt – das gesamte Gehirn sitzt im Hinterteil und arbeitet daran, perfekt damit zu wippen. Aber dieses Hinterteil löscht den Durst nicht so wie eine Fanta. Der Kaufmann schüttelt den Kopf.
Zwei Wochen später bietet er mir den Job an, und das ist weit besser als bei mama , denn er bezahlt mehr Lohn.
»Ich muss mama fragen«, sage ich, weil Tante Esther mama mtilie gebeten hat, mir Arbeit zu geben.
»Ich habe mit ihr geredet«, sagt der Kaufmann. »Es geht in Ordnung.«
»Dann arbeite ich sehr gern für Sie.«
»Es ist wichtig, dass du jeden Tag anständig angezogen bist, wenn du den Kunden Limonade verkaufst.«
»Kein Problem.«
7.
Der neue Job ist ganz anders. Morgens stehe ich auf und wasche mich. Dann nehme ich ein matatu in die Stadt. Ich arbeite sechs Tage in der Woche von acht Uhr morgens bis neun oder halb zehn abends. Mit Ausnahme von Samstag, da habe ich früh Feierabend, weil die Büros bereits um zwölf schließen und fast alle nach Hause gehen, um Mittag zu essen. Außerdem arbeite ich jeden dritten oder vierten Sonntag. Nach der Arbeit fahre ich mit einem matatu wieder nach Hause. Der Kaufmann bezahlt den Transport – sonst müsste ich weiterhin zu Fuß gehen. Aber man kann nicht nach Majengo gehen, wenn es dunkel ist, denn dann bekommt man Schwierigkeiten. Der Kaufmann ist gut. Frühstück und Mittagessen gibt es während der Arbeit. Und oft auch noch Abendessen, aber nur, wenn ein paar Kunden bei mama mtilie im Hinterhof sitzen und mir etwas kaufen, weil ich nett gewesen bin oder weil sie gern beim Essen Gesellschaft haben. Sonst esse ich zu Hause, denn die Tante kommt früher als ich nach Hause und kocht.
Es ist keine anstrengende Arbeit. Ich verkaufe Limonade aus dem Coca-Cola-Kühlschrank, der auf dem Bürgersteig aufgestellt ist. Dort steht auch eine Bank unter den Bäumen, damit die Leute ihr Getränk im Schatten genießen können. Und natürlich muss ich darauf achten, dass der Kühlschrank aufgefüllt wird und die leeren Kästen bereitstehen, wenn vormittags der Coca-Cola-Lieferwagen kommt. Sobald ich mich eingearbeitet habe, soll ich auch bei der Abrechnung helfen und die Buchführung übernehmen. Trotzdem habe ich eine Menge Zeit, um mich mit den Leuten zu unterhalten.
Mittags muss ich mich an der Hintertür des Ladens aufhalten. Wenn Kunden zu mama mtilie kommen, gehe ich zu ihnen und erkundige mich, ob sie etwas trinken möchten. Ich nehme ihre Bestellungen entgegen, hole Limonade und saubere Gläser aus dem Kühlschrank, serviere, kassiere und liefere das Geld bei der Kassiererin ab, die mir das Wechselgeld für die Männer gibt. Ich habe dafür zu sorgen, dass die Gläser und Flaschen abgeräumt und die Gläser gespült werden. Viel Trinkgeld bekomme ich von den Mittagskunden nicht. Warum sollten sie mir auch etwas geben? Sie müssen sofort wieder in ihre Büros. Aber manchmal habe ich Glück, und jemand findet mich nett. Die Mittagszeit dauert von zwölf bis zwei. Danach stehe ich wieder am Kühlschrank auf dem Bürgersteig. Irgendwann wird mir auch die Kasse übertragen, denke ich.
Allerdings habe ich nie frei.
»Das ist auch gut so«, meint die Tante. »Dann kannst du keine schlimmen Sachen machen.«
Jeden Nachmittag richtet der Kaufmann im Hinterhof eine Bar ein, an der es Bier zu kaufen gibt. Dort steht dann nachmittags und abends ein bwana nyama choma , ein selbständiger Geschäftsmann, der nach den Wünschen der Kunden Fleisch grillt. Hinter der Theke steht eine erwachsene Frau. Ich serviere das Bier an den Tischen.
»Nimm dir ein Bier«,
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