Revolution - Erzählungen
serviere, räume das dreckige Geschirr weg und wasche ab. Wenn der Mittagsansturm nachlässt, setzen wir uns auf die Holzkisten hinter der Trennwand und essen, was nicht verkauft wurde. Hinterher muss aufgeräumt, abgewaschen und saubergemacht werden.
Der Job ist schlecht, weil der Lohn niedrig ist. Aber es ist ein guter Platz. Das Gelände gehört der Stadt Moshi, und mama mtilie darf es umsonst nutzen. Überall in der Stadt wird es so gehandhabt, um die Straßenküchen verschwinden zu lassen, bei denen Frauen das Essen aus Eimern anbieten, unter einem schattigen Baum auf dem Bürgersteig. Wo kann man sich da ohne fließendes Wasser die Hände waschen? Viele Menschen haben sich die Cholera geholt. Die Straßenküchen gibt es noch immer, denn das Essen ist dort billiger, aber jetzt riskieren die Frauen eine Geldstrafe oder müssen die Polizisten schmieren.
Bei mama ist das Essen gut. Der Reis ist locker, ein guter Basmatireis, gekocht mit Kokosmilch. Dazu gibt es gute, luftige Chapati; sie sind in Öl von ordentlicher Qualität gebacken, nachdem der Teig gründlich geknetet wurde, damit die Chapati zu dünnen Fladen ausgerollt werden können. Auch die Fleischsoße ist gut. Das Essen ist teurer als auf der Straße, daher essen die wabwana wakubwa hier.
Die Rengua Road ist ein guter Ort. Die Elektrizitätsgesellschaft Tanesco hat hier ihren Hauptsitz. Das Kino ABC Theatre liegt auch hier, allerdings ist es im Augenblick geschlossen. Dafür gibt es Roots Rock, ein Geschäft mit Kassettenaufnahmen, das Marcus betreibt. Er nimmt Kassetten mit Reggae, Disco oder Zaire-Rock auf und verkauft sie, und seine Frau Claire bietet draußen auf der Straße Kleider auf einem Holzstativ an. Daneben liegt die Stereo Bar, in die viele wichtige Menschen gehen. In der Rengua Road gibt es Geschäfte, Friseure und Kaffeebars. Es ist die gute Ecke von Moshi, wo die Chagga und die Inder wohnen.
4.
Es ist wichtig, als Kellnerin präsentabel auszusehen, deshalb gehe ich am Samstag nach der Arbeit auf den Markt in Moshi und kaufe mir Secondhand-Kleider.
»Die Sachen passen nicht«, teile ich meiner Tante mit, als ich ihr beim Hausputz helfe.
»Wir reden morgen mit meiner Freundin in der Kirche darüber, sie hat eine Nähmaschine.« Die Tante und ihre Tochter sind Lutheraner, ebenso wie mama mtilie , und auch ich muss ständig in die Kirche gehen. Nach dem Gottesdienst kochen wir zu Hause und essen zusammen – allzu oft Fisch, den die Tante nicht verkauft hat. Hinterher flechten Anna und ich uns die Haare, und ich treffe ihre Freundinnen; alles ordentliche Mädchen, beinahe jedenfalls.
Aber an diesem Sonntag gehe ich mit der Freundin der Tante nach Hause und arbeite an meinen Kleidern: Die Bluse und den Rock nähe ich an den Seiten ab, damit man meine Formen sehen kann. Es gibt höheres Trinkgeld, wenn die Sachen eng sitzen. Das sagt Anna. Es wird sehr schön. Ich ziehe die Bluse und den Rock an und lege die Kirchenkleider in die Plastiktüte. Auf dem Rückweg bleibe ich an einem Kiosk in Majengo stehen. Ich kann mich nicht auf die Bank vor den Kiosk setzen, weil ich kein Geld für eine Limonade habe. Aber im Radio wird Zaire-Rock gespielt, und ich möchte gern Musik hören. Mein Stiefbruder hatte ein Radio, doch bei der Tante hört man nichts als dieses Gerede über den Willen Gottes. Vor dem Kiosk sitzen zwei Mädchen – eine klein und untersetzt, die andere sehr groß, mit schick zurechtgemachten Haaren und rotem Lippenstift, hochhackigen Sandalen, strammen Jeans aus Amerika und einem T-Shirt mit sehr kurzen Ärmeln. Sind sie schlimm und gottlos, wie die Tante sagt? Ich weiß nicht, wo ich hingucken soll. Dann geht die kleine Untersetzte.
»He, du da!«, ruft die Flotte und lächelt. »Komm schon her.« Sie klopft auf die Bank neben sich. Ich glaube, sie ist ein paar Jahre älter als ich. »Ich heiße Salama«, sagt sie und gibt mir die Hand.
»Rachel«, sage ich und setze mich.
»Das ist ein sehr hübscher Rock.«
»Danke. Deine Hose ist aber auch schick.«
»Was hast du da in der Tüte?«
»Meine anderen Sachen, für die Kirche.«
»Aber du hast dich umgezogen. Willst du in eine Bar?«
»Nein.« Ich muss kichern. »Ich gehe nicht in Bars. Ich bin gerade bei einer Frau gewesen und habe die Sachen umgenäht.«
»Du kannst nähen?«
»Ja, ich hab’s von meinem Stiefbruder gelernt.«
»Du da … willst du irgendwas?«, ruft der Bursche im Kiosk.
» Tsk «, zischt Salama und dreht sich zu ihm um. »Also!« Sie schüttelt
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