Revolution - Erzählungen
hätten unsere Menstruation und Schmerzen. Die Tante schnaubt und schimpft, aber wir gehen nicht in die Kirche, sondern leihen uns beim Schneider in Majengo eine Nähmaschine, denn ich will Deborah und Salama nicht zu der Freundin der Tante mitnehmen – sie würde der Tante nur erzählen, dass ich schlimme Mädchen kenne. Wir dürfen die Nähmaschine nicht mitnehmen, deshalb arbeite ich im Laden des Schneiders, während er in eine Bar geht und für unser Geld mbege trinkt.
Ich messe und trenne auf, zeichne mit Kreide an und setze die Nadel so ein, wie Edward es mir beigebracht hat.
»Ja, Schwester«, sagt Salama, als sie sich in ein T-Shirt zwängt. »Näh die Sachen so stramm, als wäre ich nackt.« Wir lachen.
»Heute Abend fange ich mir einen dicken Fisch«, erklärt Deborah – sie hat sich die Bluse so eng nähen lassen, dass alles an ihrem Körper in die Augen springt.
Ich stopfe meine neuen Sachen in eine Tüte und ziehe meine gewöhnlichen Kleider an, aber Anna will sich nicht umziehen – sie freut sich über den Rock und die Bluse mit dem V-Ausschnitt. Wir gehen heim zur Tante.
»Was sind denn das für Sachen?«, fragt sie überrascht.
»Meine neuen Kleider«, erwidert Anna lächelnd, dreht sich einmal um die eigene Achse und streicht mit den Händen über ihre Hüften. »Rachel hat sie für mich genäht.«
»Gott mag nicht, dass du in so engen Sachen herumläufst.«
» Tsk «, schnalzt Anna. »Die Kleider sind schön.«
»Sie zeigen viel zu viel von deinem Körper.«
»Gott hat meinen Körper geschaffen – und er freut sich, wenn ich ihn zeige«, entgegnet Anna.
»Du sollst nicht so über Gott reden. Er hat deinen Körper geschaffen, damit ihn nur dein Ehemann zu sehen bekommt. Nicht, damit du ihn auf der Straße zeigst wie eine malaya .«
»Du weißt nicht, was Gott gefällt«, sagt Anna. Die Tante sieht mich an.
» Tsk . Und du, Rachel, du verrichtest die Arbeit des Teufels, wenn du an der Nähmaschine sitzt. Nun hast du meine Tochter so weit gebracht, dass nur ein schlechter Mann sie noch ansehen wird.«
Ich schweige. Anna ist wütend auf ihre Mutter.
»Du hast selbst mit einem schlechten Mann gelebt – war das Gottes Wille?«
Die Tante wendet den Blick ab, sie sagt nichts mehr. Der Mann ist nicht bei der Tante geblieben, weil sie Gott vorgezogen hat. Und weil sie nun mit Gott leidet, will sie, dass wir auch leiden.
10.
Einige Tage später treffe ich gegen Abend Salama am Kiosk, sie trägt sehr schicke Sachen. Wir reden ein bisschen, bis Alwyn in seinem Auto kommt. Er hupt.
»Willst du mit?«, fragt Salama.
»Wohin denn?«
»Ach, einfach eine Spritztour.« Ich denke einen Moment nach. Und sage dann: »Okay.« Wir gehen zum Wagen.
»Rachel kann nicht mit. Du musst zur Arbeit«, erklärt Alwyn.
»Das macht nichts«, sage ich.
»Aber wir können sie doch nach Hause fahren?«
»Okay.« Alwyn ist einverstanden. »Spring rein.« Und ich bin im Auto, wir fahren. Der Wagen hat einen Kassettenrecorder, es läuft guter Zaire-Rock. Vor dem Haus der Tante steige ich aus und gehe in den Hof. Die Tante bereitet das Abendessen. Kurz darauf kommt Anna. Wir essen zusammen. Hinterher geht die Tante zu einem Nachbarn, um sich über irgendwelche Hühner zu unterhalten.
»Ich habe dich mit Salama und Alwyn gesehen«, sagt Anna.
»Ja. Sie haben mich in seinem Wagen nach Hause gefahren.«
»Salama ist ein sehr schlimmes Mädchen, habe ich gehört.«
»Sie ist Alwyns Freundin. Sie ist nicht schlimm.«
»Woher hat sie wohl das viele Geld? Was glaubst du?«
»Sie arbeitet als Hostess in einem Restaurant.«
»Du solltest nicht alles glauben, was sie dir erzählt. Alwyn lässt sie wabwana wakubwa für Geld pumpen.«
»Du hast sie doch nicht mehr alle!«
»Das habe ich zumindest gehört«, sagt Anne. Ich kann es nicht glauben.
»Du bist doch einfach nur neidisch.«
11.
Wenn ich arbeite, sehe ich viele Menschen in gebrauchten Sachen aus Europa. Die Schneider am Markt haben viel zu tun, um sie zu ändern. Viele Leute haben die Kleider gekauft und möchten, dass sie zu ihrer Figur passen. In den Geschäften heulen die dicken Inhaberinnen, die feine Sachen aus den Nähstuben auf Sansibar gekauft haben: Die Kleider verstauben in den Regalen, und die Inhaberinnen verlieren ihre gesamten Investitionen. Die Kleidungsstücke aus Europa bleiben Sieger, sie sind besser, smarter und billiger.
» Uhhhh , bist du hübsch heute, Rachel«, sagen die jungen Burschen, die auf dem Bürgersteig ihre Limonade
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