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Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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nicht einmal bezahlt wird!« Speichelperlen fliegen ihr aus dem Mund. » Tsk !« Sie trocknet ihre vor Wut feucht gewordenen Augen.
    »Nein, nein. Entschuldige …«
    »Du bist ein dummes Mädchen. Drei Wochen, höchstens!«
    »Ja«, antworte ich. Drei Wochen – was soll ich machen?
    »Und jetzt musst du das Zimmer verlassen.«
    »Aber ich dachte, du wolltest ausgehen?«
    » Tsk , muss man dir denn alles erklären? Ich brauche mein Zimmer für meine dreckige Arbeit. Mit Zimmer bekomme ich einen besseren Preis.«
    Ich nehme ein paar Kleider und gehe zum Schneider, von dem wir uns mal eine Nähmaschine geliehen haben, um Kleider zu ändern – Anna, Salama, Deborah und ich. Mir kommt es vor, als wäre das ein anderes Leben gewesen, und doch ist es erst zweieinhalb Jahre her. Ich frage, ob er irgendeine Arbeit für mich hat. Die Antwort lautet nein. Ich leihe mir seine Maschine für ein paar Stunden und flicke ein paar Sachen. Auf dem Rückweg sehe ich Deborah auf der Straße. Der Verband in ihrem Gesicht ist fort. Teile ihrer Wange und der Nase hat der Arzt schief genäht, es ist falsch zusammengewachsen. Deborahs Gesicht sieht wie ein großer Unfall aus. Sie arbeitet wieder – jetzt für sehr wenig Geld.
    Am nächsten Tag bin ich nicht auf dem Markt in Kiborloni, um einzukaufen – ich verkaufe meine guten Sachen, nur um etwas zu essen zu haben.
    41.
    Ein Weißer kommt mit Marcus in den Hinterhof von mama mtilie . Der Weiße schaut mich auf dem Weg zum Essen an. Er trägt Turnschuhe, Shorts und ein verblichenes T-Shirt – aber das heißt gar nichts, denn alle wazungu sind reich. Er dreht sich nach mir um. Ich gehe einfach meiner Arbeit nach. Aber ich trage den engen Rock mit dem Leopardenmuster, und mein T-Shirt sitzt stramm, so dass meine titi fast nackt sind. Ich sehe ihn an. Wie alt mag er sein? Es ist bei den weißen Menschen schwierig einzuschätzen – sie sehen alle gleich aus. Aber Marcus ist ein guter Mann, er besitzt einen Kiosk in der Nähe seiner Wohnung. Seine Freundin Claire ist immer sehr elegant und verkauft Kleidung in seinem Laden neben der Stereo Bar. Der Weiße wäscht seine Hände, während mama mtilie Essen auf ihre Teller löffelt. Der Weiße sagt etwas auf Englisch zu Marcus, der mir zuruft, ich soll zwei Limonaden vom Kaufmann holen. Ich glaube, der Weiße sagt auf Englisch, dass ich auch eine für mich kaufen soll.
    »Du kannst dir auch eine kaufen, wenn du willst«, ruft Marcus mir auf Swahili zu.
    »Danke!«, sage ich. Der Weiße zieht viele zerknüllte Geldscheine aus der Hose und gibt mir einen Schein. Ich laufe hinüber, und als ich zurückkomme, haben sie gerade ihr Essen bekommen. Ich trete mit den Flaschen und dem Wechselgeld an den Tisch. Der Weiße schaut mich an. Auf Englisch sagt er noch einmal zu Marcus, dass ich mir auch eine Limonade kaufen sollte.
    »Du solltest dir auch eine kaufen«, wiederholt Marcus auf Swahili.
    »Hab ich gemacht«, antworte ich. »Aber ich trinke sie erst nach der Arbeit.« Das Geld liegt in meiner Tasche.
    »Sie hat das Geld dafür behalten«, erklärt Marcus dem Weißen auf Englisch.
    »Macht nichts«, sagt der.
    Marcus bittet mich, pili-pili zu holen. Obwohl der Weiße Reis isst, probiert er auch Marcus’ Maisbrei. Kurz darauf sagt mama , dass ich hingehen und fragen soll, ob noch irgendetwas fehlt.
    »Ist alles in Ordnung? Schmeckt das Essen?«, erkundige ich mich.
    »Ja, sehr gut«, sagt Marcus.
    » Nzuri sana «, sagt der Weiße.
    »Du sprichst Swahili?«, frage ich lachend.
    »Der mzungu war schon mal hier«, antwortet Marcus.
    »Nur ein bisschen«, sagt der Weiße auf Swahili. Sie essen Fisch.
    Marcus hat den Kopf bekommen, der mzungu das Schwanzstück.
    »Welcher Teil des Fischs ist der beste?«, will Marcus wissen und sieht mich dabei an.
    »Die sind alle gleich gut«, antworte ich.
    »Nein«, widerspricht Marcus. »Es muss einen Teil an dem Fisch geben, der besser schmeckt als die anderen.«
    »Nein. Es ist doch alles derselbe Fisch.«
    »Und was ist mit dir?«, fragt Marcus. »Gibt es nicht ein Stück an dir, das besser schmeckt als die anderen Teile?«
    Ich zögere einen Moment.
    »Doch, schon.«
    »Na, welches Stück denn?«, bohrt Marcus weiter. Ich wende meinen Blick ab. Dann fahre ich mit der Hand rasch über meinen Unterleib und lächele dabei.
    »Dieses Stück hier.« Marcus kichert, und der mzungu sieht mich ein wenig seltsam an, dann fangen wir alle drei zu lachen an. Ich drehe mich um und gehe – langsam, so dass er sehen kann,

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