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Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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wie die Bosse. Wir sind Hunde. Wir haben eine schlechte chinesische Taschenlampe, deren verchromte Oberfläche in unser staubiges Haar abblättert. Wir schneiden Autoschläuche auf, binden die Taschenlampe in die Streifen und verknoten sie so, dass wir sie wie ein Stirnband über den Kopf ziehen können. Die Taschenlampe sitzt uns wie ein Dutt auf dem Schädel.
    Ich arbeite für mzee Akrabi in einer Mine ohne Leiter. Die schäbigsten Minen haben keine Leitern, denn Holz ist teuer und muss von weit her beschafft werden. Am Eingang der Mine ist ein Seil befestigt, und in die Wand des schmalen Schachts sind grobe Stufen gehackt. Neue Arbeiter reißen sich durch den Grafitstaub am Seil die Hände auf, aber nach und nach bekommen sie eine Haut wie die Hufe einer Ziege. Alle anderthalb Meter gibt es einen schmalen Absatz, auf den man sich stellen kann, wenn die Säcke mit Abraum zum Leeren hochgereicht werden.
    Ich klettere mit Fillemon hinunter, einem Sprengstoffexperten. Ich kenne ihn seit meiner Kindheit in Rongai.
    Vierzig Meter senkrecht das Seil hinab in den dunklen Schacht, bis zu der Sedimentschicht aus Quarz. Dann wie die Affen weiter auf Händen und Füßen durch den Stollen: ein Meter hoch, höchstens zwei Meter breit. Die Gänge verlaufen in sämtlichen Richtungen, über fünfhundert Meter lang. Überall suchen wir nach den Adern der glasartigen Kristalle, vor allem nach dem blauen Stein: Tansanit.
    Der Tunnel ist steil und voller Schutt. Wir bewegen uns vorsichtig, denn wenn man unaufmerksam ist, kann man ausrutschen und zwanzig Meter tief fallen – der Körper wird zu einem Sack Knochen.
    Wir arbeiten am Grund der Mine. Die Zeichen zeigen uns, dass wir uns den Steinen nähern. Diese Sedimentschicht verfügt über eine Unmenge an Grafit, eine Art fette Kohle, die für Bleistifte verwendet wird. Hier ist das Grafit mit Schwefelkies verbunden. Schon bald treffen wir auf Tansanit-Einkapselungen. Fillemon zeigt uns, wo er die kleinen Löcher für den Sprengstoff in den Felsen haben will. Mit Shirazi klopfe ich die Löcher, wir benutzen Hämmer, Meißel und Eisenstangen. Bei mzee gibt es keinen Druckluftbohrer – alles geschieht durch die Kraft unserer Hände. Kurz darauf sind wir bereit zu sprengen.
    »Perfekt!«, sagt Fillemon. Wir husten und spucken, denn wenn man mit Hammer und Meißel auf den Felsen schlägt, verwandelt sich das Grafit zu einem sehr feinen Staub, der direkt in die Lungen geht. Den ganzen Tag schlucken wir Staub. Fillemon schaut mich mit seinem milchig-weißen Auge an, dessen Sehvermögen ein Steinsplitter zerstört hat. Sein gesundes Auge ist beinahe rot – vom Staub gereizt, denn wir tragen keine Arbeitsbrillen; so etwas gibt es hier nicht.
    »Haben wir Wasser?«, fragt er.
    » Nyoka! «, ruft Shirazi – Schlange; so nennen wir die kleinen Jungen, weil sie auch in die schmalsten Spalten kriechen können. Es gehört zu den Arbeiten der Schlangen, uns von oben frisches Wasser zum Trinken zu bringen. Auch die Schlangen husten; sie sind noch nicht erwachsen, der Staub dringt in ihre Lungen und zerfrisst sie langsam.
    Eine Schlange kommt mit einer Flasche. Fillemon kriecht zu mir. Der Tunnel ist hier sehr niedrig. Ich trinke einen Schluck und gebe ihm die Flasche zurück. Er trinkt und reicht sie Shirazi. In einer ordentlichen Mine würde Fillemon seinen Lohn ausgezahlt bekommen, auch wenn keine Steine gefunden würden, denn er ist der Sprengstoffexperte. Aber Geld ist ein großes Problem bei mzee Akrabi. Nur Hamza und der Wachmann bekommen richtigen Lohn, denn sie tragen Waffen – mzee Akrabi muss sich ihrer Loyalität sicher sein, für den Tag, an dem wir die Früchte der Felsen ernten. So lange hängt Fillemon das Hemd in Fetzen vom Rücken.
    »Wir sind gleich bereit zur Sprengung«, sagt er lächelnd.
    »Gut«, antworte ich und hole die Ausrüstung. Wir stecken kleine Dynamitdübel in die Löcher und verbinden sie mit der Korditlunte aus rauchfreiem Pulver. Bei mzee Akrabi verwenden wir Lunten, denn er hat kein Geld für Zünder. Sobald die Lunte verbunden ist, nehmen wir einen dünnen Stock und schieben den Sprengstoff so tief wie möglich in das Loch, damit der Fels auch wirklich gesprengt wird. Wir schwitzen gewaltig, denn im Stollen ist es heiß, wenn viele Männer darin arbeiten. Der Staub dringt durch die verschwitzten Klamotten bis auf die Haut – wir sehen aus wie grauschwarze Gespenster.
    Ich schicke Fillemon, Shirazi und die anderen zurück in den Stollen und rufe nach drei

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