Revolution - Erzählungen
Luft ist schlecht«, sagt Shirazi und stöhnt laut.
»Die Sprengung war heftig, sie hat den Sauerstoff aufgefressen«, erwidere ich. Die Luft tief in den Stollen ist immer dünn, und eine Sprengung hinterlässt ein besonderes Gift in der Luft. Anfangs ist das sehr unangenehm, aber man gewöhnt sich daran.
»Vielleicht haben sie die Luft abgestellt?«, vermutet Fillemon.
»Ich kontrollier’s«, sage ich. Oben im Schuppen steht ein Generator, der einen Kompressor antreibt – durch einen schwarzen Plastikschlauch wird Luft zu uns hinuntergepumpt. Aber dem Generator kann schon mal der Diesel ausgehen, oder der Kompressor kann ausfallen. Wir hören nicht, wenn es im Luftschlauch still wird, denn wir hacken und klopfen, schaben und schleppen Säcke. Und die Luft, die aus unseren Lungen kommt, ist nicht dieselbe, die hineingeht. Die verbrauchte Luft ist gefährlich wie die Abgase eines Autos. Wenn frische Luft hinuntergepumpt wird, wird die schlechte Luft hochgepresst. Aber wenn der Kompressor ausfällt und die schlechte Luft bleibt hängen … Ich hab’s einmal erlebt, Schwindel war mein Warnsignal – ich musste mich beeilen, bevor die Luft zu Ende war. Ich bin auf Händen und Knien gekrochen, ich habe mich flach auf den Boden gelegt und bin auf dem Bauch gerobbt. Drei Mann wurden ohnmächtig, fünfhundert Meter waren ihre Ewigkeit.
Ich finde den Luftschlauch und fühle – nichts. In diesem Moment kommt Hamza zu uns hinunter. Er hat mit mzee geredet und ihm vom Resultat der Sprengung berichtet.
»Okay, Moses, genug für heute«, sagt Hamza. »Hol sie hoch.«
»Ist der Kompressor ausgefallen?«
»Ihr hättet ohnehin hochgemusst, ich habe ihn abgestellt.«
»Du sollst ihn nicht abstellen, bevor wir draußen sind, wir sind fast erstickt.«
»Ach, hör auf, dich zu beschweren«, erwidert er und kriecht zum Schacht. Ich rufe die anderen.
»Er ist ein Schwein«, meint Fillemon.
»Ja«, sage ich. Wir klettern hoch, um zu essen. Ich hänge unter Shirazi am Seil. Jedes Mal, wenn er einen Fuß auf die Schachtwand setzt, rieselt Steinstaub auf mich. Ich muss mir einen Hut mit Krempe besorgen, der meine Augen schützt. Immerhin spüre ich im Schacht, wie die Luft besser wird, kräftig und kühl. Wir sind nur oben, wenn Essen hinein- oder herausmuss. Wir produzieren so gut wie keinen Urin, weil wir dermaßen schwitzen. Außerdem dauert es lange, um nach oben zu kommen, also pinkeln wir unten.
Die Luft ist schwer, es könnte Regen geben. Dann müssen wir im Loch schlafen, denn bei mzee Akrabi gibt es keinen ordentlichen Schuppen; nur ein Halbdach, unter das der Regen schlägt. Nur wenige von uns besitzen eine Decke, die meisten schlafen auf Zementsäcken aus Papier. Die Nächte in Zaire können kalt werden.
Mzee Akrabi ist bereits wieder gefahren, und Hama geht zu seinem Motorrad. Er hat den Schuppen abgeschlossen, in dem der Generator, der Kompressor und der Sprengstoff untergebracht sind. Nur der Wachmann ist noch da.
»Du musst den Kompressor laufen lassen!«, rufe ich Hamza hinterher. »Sonst ersticken wir im Schlaf.«
»Der Diesel wird für die Steine gebraucht, nicht um zu schlafen.« Hamza lässt sein Motorrad an. Jetzt wird er die fünf Kilometer bis Mererani Township fahren, wo er mit einer jungen Frau aus Mererani zusammenwohnt.
» Tsk «, zischt Fillemon. »Er wird warm schlafen, und wir liegen hier auf den harten Steinen.«
Nachdem wir unsere tägliche Mahlzeit gegessen haben, sitzen wir zusammen und teilen uns in der Dämmerung eine Zigarette. Wir haben keine Lust, zu den Zementsäcken zu kriechen. Ich gehe zum Koch, er lässt mich in seinen kleinen Schuppen, in dem eine kleine Tüte mit meiner wenigen Habe steht. Ich besitze ein zweites Hemd. Ich hole es, gehe zurück und gebe es Fillemon.
»Nimm es.«
»Bist du sicher?«
»Glaubst du, ich will mit einem Mann arbeiten, der nackt wie ein Barbar ist?«
Fillemon bedankt sich. »Ich werd’s dir nicht vergessen.«
»Wenn du zum lieben Gott kommst, dann kannst du ihm sagen: Moses hat mir mal ein Hemd gegeben.«
»Das kannst du ihm auch selbst sagen.«
»Nein, ich komm da nicht hoch«, entgegne ich.
»Wo musst du denn hin?«
Ich zeige nach unten. »Moses kommt in die Hölle«, sage ich.
Fillemon grinst: »Du bist schon angekommen.« Wir klatschen uns ab. Ich rolle noch eine Zigarette aus Zeitungspapier und reiche sie Shirazi, der träumend in die Dämmerung starrt.
»Wir gehen ans Meer«, sagt er. »Wenn wir die Ader abgeerntet haben, müsst ihr
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