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Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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tragen. Das Gewicht hat ihn platt gedrückt, kein Lufthauch dringt zu den Eingesperrten. Sie werden ersticken. Ich ziehe mein Messer aus der Tasche und schneide den Luftschlauch ab, damit die Luft nicht einfach nur versickert, sondern hier herauskommt, wo ich arbeiten muss. Hamza kommt angekrochen.
    »Eine Katastrophe«, jammert er. »Wir waren so nah dran.« Hamza denkt nur an die Steine.
    »Schick Leute mit Spaten und Säcken, wir müssen graben, bevor sie ersticken«, sage ich. Es hört sich an, als hätte die Explosion meine Stimme verschluckt.
    »Ich muss hoch und mit mzee sprechen. Vielleicht ist es zu gefährlich, jetzt zu graben.«
    »Wir müssen versuchen, sie auszugraben.«
    »Ich muss erst mit mzee reden«, erklärt Hamza. Er hat Angst. Die vier Männer könnten sterben – vielleicht sind sie bereits tot. Die übrigen Arbeiter könnten wütend werden, gefährlich. Hier gibt es keine Polizei, doch wenn die Geschichte bis nach Arusha dringt, besteht die Gefahr, dass die Behörden die Spezialeinheit des Militärs schicken, die Field Force Unit, die das gesamte Gebiet sperren könnte. Wir kriechen den Stollen zurück und stoßen auf die Arbeiter, die die Kette bilden. Die Arbeit ruht.
    »Was ist passiert?«, fragt Shirazi, der mit leeren Säcken zurückkommt.
    »Einsturz. Vier sind eingeschlossen.« Alle fangen an durcheinanderzureden.
    »Wir müssen sie ausgraben«, sage ich laut. »Wir müssen unsere Kameraden retten.«
    »Ja!«, rufen die Leute und laufen los. Ich folge Hamza. Er klettert das Seil hinauf. Er hat Handschuhe an. Ich brauche keine Handschuhe.
    Mzee Akrabi steht oben.
    »Der Stollen ist eingestürzt«, berichtet Hamza. »Vier Mann waren drin.«
    »Aber wir können den Schutt abräumen«, sage ich. »Er ist locker. Wir können sie erreichen und versuchen, sie zu retten.«
    Dieser Stollen ist eine Grabkammer, aber er enthält vielleicht einen großen Schatz.
    »Also los, runter und graben«, entscheidet mzee Akrabi. Seine Hände zittern, als er sich eine Zigarette anzündet. Wir dürfen nach Leichen graben, in der Hoffnung, Steine zu finden. Die Steine können dazu verwendet werden, das Schmiergeld zu zahlen, damit mzee keine Probleme bekommt, wenn die Behörden von den toten Arbeitern erfahren.
    Ich klettere hinunter und laufe zu der Schlackewand. Befehle einigen Burschen zu graben, anderen, die Säcke zu füllen, und wieder anderen, die Säcke wegzuschleppen, damit wir Platz zum Arbeiten haben. Ich grabe selbst, Seite an Seite mit Shirazi. Fillemon mit seinem milchig-weißen Auge ist dort drinnen – vielleicht ist es bereits geschlossen. Ich werfe Schlacke nach hinten. Stundenlang. Wie ein Verrückter. Um die Eingeschlossenen zu erreichen, bevor sie erstickt sind, denn vielleicht ist der Abraum nur eine Art Pfropfen im Schacht, und sie sitzen auf der anderen Seite bis zum Hals im Wasser. Die Männer füllen die Schlacke in die Säcke, werfen sie hinter uns in den Minengang – es ist keine Zeit, um eine Kette zu bilden und die Säcke hochzureichen. Hamza lässt uns graben, wir hätten hier ohnehin graben müssen, denn dort verläuft die Ader, nun gedüngt mit Tod, gesättigt von Blut. Was ist das? Ein Arm. Ich grabe ihn mit den Händen aus, der Arm ist warm, Abschürfungen durch die Schlacke. Ich werfe Steine nach hinten und versuche, an dem Arm zu ziehen, aber es liegt zu viel Schlacke auf dem Körper. Ich rufe. Shirazi kommt. Wir greifen beide nach dem Arm, stemmen uns mit den Füßen gegen die Mauer und ziehen den Körper heraus. Ein milchig-weißes Auge ist voller Staub.
    »Atmet er noch?«, erkundigt sich Hamza.
    »Tot«, sage ich. Die Arbeiter sind stumm, gucken zu Boden. Es hätte einer von ihnen sein können. Hier gibt es keine Frauen, die Klagegesänge anstimmen. Wir müssen vergessen, das ist das Beste. Der gesamte Gang ist eingestürzt. Wir graben weiter. Finden die anderen Leichen. Verdreckt vom Grundwasser. Tot. Da passiert es. Zwischen der Schlacke leuchtet ein kleines Glück – kleine Tansanitsteine, die aus dem Felsen gesprengt wurden. Nicht der große Fund. Keine kontrollierte Sprengung mit einer kleinen Ladung, nach der die Kristalle fein auf dem Boden liegen und Hamza mit der Pistole dasteht, um sich den Großteil zu sichern. Nein, jetzt ist alles Chaos, Staub, Morast, Schlacke, Leichen; Blut läuft mir in die Augen – der Zusammenprall mit der Decke hat meine Stirn aufgerissen. Es sind nur kleine Steine. Diese Ader ist versiegt, bevor sie richtig reich sein wird. Alle

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