Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
lange hier, trinkt zwischendurch mal ein Glas Wasser und gibt gut auf das Bier acht.«
»Carla hat keinen Schlüssel dabei«, sage ich.
»Dann leg ich sie eben in mein Bett«, sagt er, »das geht schon.«
»Spitzenplan«, sage ich und denke: Und dann kannst du ja bei mir schlafen. Haha.
Klatsche bestellt ein Wasser für mich und trägt Carla aus ihrer misslichen Situation. Ich schaue ihm hinterher, ich hab ihn echt gern, Mann, hab ich den gern. Ich trinke ein bisschen was von meinem Wasser, fange an zu warten, bis er zurückkommt, und kritzele auf dem Bierdeckel rum, der direkt vor meiner Nase liegt.
»Zandvoort?«, fragt Klatsche. Ich hab ihn gar nicht reinkommen sehen. »Wer ist das?«
»Niemand«, sage ich und streiche den Namen ein bisschen zu hektisch durch. Da bin ich doch tatsächlich weggedriftet und dabei erwischt worden. Blöd.
Klatsche setzt sich neben mich an die Theke und stürzt schnell das Bier runter, das da immer noch ordnungsgemäß steht. Und dann sagt er:
»Bier is’ alle. Kann ich bitte ein neues haben?«
»Ich bitte auch«, sage ich, »und einen Korn.«
Der Barkeeper macht sich sofort an die Arbeit. Mann, ist der wieder nett. Wir trinken hier wie die Weltmeister und fallen von den Hockern, und er sagt keinen Ton und schenkt in einer Tour nach. Ich trinke meinen Korn.
»Mit Carla alles in Ordnung?«
»Ja, ja«, sagt Klatsche, »die liegt in meinem Bett und ist so voll, dass sie bis morgen Mittag die Englein singen hört. Wem gehört der Mantel, den sie da anhat?«
»Ach«, sage ich, »vergiss es.«
Der Barkeeper stellt uns unsere Biere hin und grinst. Wir grinsen zurück.
»Haste das heute eigentlich mitgekriegt«, sagt Klatsche, »das mit dem Terroralarm?«
Ich nicke.
»Das war doch echt so ein Irrer auf Freigang«, sagt er, »der hat sich bloß gelangweilt und wollte mal was Tolles machen. Haben sie gerade im Radio erzählt.«
Oh Mann. Ich bestelle mir noch einen Korn zum Bier.
»Klatsche«, sage ich, »erinnerst du dich noch an Eisen-Siggi?«
»Klar!«, sagt er. »Kiezgröße!« Seine Augen glänzen vor Ehrfurcht. »Leider in Rente, der alte Mann.«
»Könntest du dir vorstellen, dass so einer wie der wieder rauskommt aus seinem Rentnerdasein?«
»Jederzeit«, sagt er. »Wenn’s nur irgendwie interessant ist. Warum?«
»Nur so«, sage ich.
Er schaut mich gewaltig von der Seite an, aber ich schaue nicht zurück. Ich nehme einen großen Schluck von meinem Korn, und hupsi: schon alle. Phantastischer Drink.
Vielleicht sollte ich es Carla nachmachen und mir die Lichter auspusten. Klatsche hört auf, mich anzustarren, und schaut stattdessen gemütlich vor sich hin, rutscht näher und hält fröhlich das Maul. Internationale Trinkervereinbarung: an der Theke nicht reden, wenn es nicht unbedingt sein muss, dafür aber dicht beieinandersitzen. Das geht nicht mit jedem. Mit Klatsche geht das sehr gut. Wir wissen beide, dass wir genug auf dem Herzen haben, wir könnten locker bis in die Morgenstunden reden, über die Sache mit dem Basso gestern, über das Leben, über uns, über unsere kleine Heimat, die immer in Gefahr ist, aber manchmal hilft Reden nicht mehr. Manchmal braucht man Taten. Klatsche weiß das. Er trinkt sein Bier aus, grinst kurz rüber, ich grinse aus dem Augenwinkel zurück, trinke auch, so gut ich kann, und nicke. Klatsche gibt dem Barmann das Noch-zwei-aber-flott-bitte-Zeichen. Zur Belohnung rutsche ich auch ein bisschen näher an ihn ran. Zwei Leute dürfen ja ruhig mal Schulter an Schulter sitzen, auch wenn sich zwischen ihnen die Hindernisse stapeln. Oder gerade deshalb.
»Komm, Baby«, sagt er, als die Getränke kommen. »Ex und Licht aus und nach Haus.«
»Nenn mich nicht …«
»Ich weiß, Baby«, sagt er, setzt sein Glas an die Lippen, »ich weiß« – und dann kommt die Schnapsbar runter. Die obere Glasplatte bricht einfach so in sich zusammen, nimmt erst die mittlere mit und dann die untere. Samt vierzig Spirituosenflaschen. Das ist ein Riesenrumms, das ist, als wäre eine Bombe hochgegangen. Kurz nach dem Knall ist es mucksmäuschenstill. Der Plattenspieler spielt nicht mehr, die Erschütterung hat die Nadel vom Teller springen lassen.
»Dreckige Scheiße«, sagt der Barmann, sehr laut, sehr scharf, aber nur einmal. Er verschwindet in einem Kabuff neben den Toiletten, holt einen Besen und fängt an, die Sauerei wegzumachen. Wir anderen sehen aus, als hätte einer den Film angehalten. Keiner bewegt sich. Das kostet jetzt richtig Geld, was da
Weitere Kostenlose Bücher