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Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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mehr hin. In die Blaue Nacht geht auch keiner, weil den Laden kaum jemand kennt, und wenn, dann kommt man nicht rein. Ali, ein großer, dicker Türke und der Chef von dem Ding, hat grundsätzlich einen Barhocker in der Tür stehen, und neben dem Barhocker steht er selbst und beobachtet die Tür. Den Hocker schiebt er nur für Leute zur Seite, die er sehr schätzt. Womit er sein Geld verdient, weiß keiner, mit der Blauen Nacht kann es nicht funktionieren. Das Bier und der Schnaps sind billiger als irgendwo sonst, und meistens trinken hier eh nur seine Freunde, und die sind eingeladen. Der Brückner und ich würden alleine nie durch Alis Tür kommen. Für Klatsche ist das kein Problem. Manchmal vergesse ich, dass mein junger Freund im Verbrecherkindergarten aufgewachsen ist, aber an Tagen wie diesen ist das nicht zu übersehen.
    Wir gehen die fünf Stufen zu dem üblichen Barhocker hoch, Klatsche geht vor. Er steckt den Kopf durch die Tür und sagt: »Ali, altes Fischbrötchen.«
    Der Hocker wird von einer fetten Pranke zur Seite gekippt, und wir sind drin. Ich habe Ali noch nie gesehen, ich habe immer nur von ihm gehört, und ich bin beeindruckt. Er ist gut eins neunzig groß, sein Körper ist mächtig, er trägt eine Jeans, ein kleinkariertes Hemd und ein Tweedjackett, sein Schnurrbart ist so buschig, wie es sich für einen Mann aus Istanbul gehört, und seine kleine Gruppe von dunklen Haaren ist mit einer guten Portion Frisiercreme nach hinten geklebt. Auf seiner behaarten Brust baumelt ein goldenes Amulett.
    »Hey, Kleiner«, sagt er zu Klatsche, seine Stimme klingt nach hundert Jahren hinterm Tresen. »Guten Tag, die Herrschaften«, sagt er zu uns.
    Es scheint ihn überhaupt nicht zu interessieren, wer wir sind. Aber ich habe mal gehört, dass Ali nichts mehr hasst als Respektlosigkeiten, und deshalb stelle ich uns ordnungsgemäß vor.
    »Chastity Riley«, sage ich, »ich bin Staatsanwältin. Und das ist der Kollege Brückner von der Kripo.«
    »Freut mich«, sagt Ali, »kann ich Ihnen was zu trinken anbieten?«
    »Wir hatten schon Bier heute«, sage ich.
    »Wir kommen gerade von Julchen«, sagt Klatsche.
    »Verstehe«, sagt Ali und grinst. »Kaffee?«
    »Gerne«, sage ich, und der Brückner nickt.
    Ali verschwindet hinter seiner Theke. Die Decke ist so zugehängt mit vergammelten Boxhandschuhen und bunten Fußballschals aus allen europäischen Ligen, dass er sich auf dem Weg zur Kaffeemaschine ducken muss.
    »Nehmen Sie bitte Platz«, sagt er und macht eine galante Handbewegung zu einer Sitzecke am anderen Ende des Raumes. Meine Stiefel verursachen ein klebriges Geräusch, als ich zu der Ecke gehe. Der Fußboden fühlt sich an, als wäre er seit Monaten nicht mehr gewischt worden. Vermutlich sind es aber eher Jahre. Wir lassen uns auf den tiefen roten Sitzbänken nieder, und ich vermeide es, die Tischplatte anzufassen. Über uns glimmen Legionen von Lichterketten, an den Wänden hängen Poster und Fotografien. Ali mit berühmten Fußballern, Ali mit berühmten Trainern, Ali mit zwielichtigen Spielerberatern, Ali mit berüchtigten Boxern. In dem Fernseher hinter unserem Rücken läuft ein billiger Porno. Durch die Fenster dringt kaum Tageslicht, das bunte Glas ist völlig verklebt und verstaubt. Ich schätze, hier fliegt eine Menge Bier durch die Luft.
    Klatsche sieht mich amüsiert an, und ich glaube, er versucht, unter dem Tisch mit mir zu füßeln. Ich hoffe zumindest, dass er das ist, und nicht der Brückner. Aber der Brückner schaut so klebrig aus der Wäsche, wie der Raum ist, und ich würde sagen, dem ist gerade nicht nach Füßeln.
    Ali kommt mit einem Tablett und vier Tassen Kaffee. Es gibt Sahne statt Milch dazu und Süßstoff statt Zucker. Der Kaffee ist so bitter und abgestanden, dass er wie eine Faust in meinem Gesicht landet. Ali nimmt schwer atmend neben Klatsche Platz.
    »Ihr kommt also von Julchen, ja?«
    Ich nicke.
    »Sie hat euch hierhergeschickt?«
    Ich nicke wieder.
    Ali lehnt sich zurück und trinkt Kaffee.
    Wir müssen schon fragen, wenn wir was wollen.
    »Ist Heiner Matzen hier?«, fragt der Brückner.
    »Ha!«, sagt Ali, und der Brückner zuckt ein bisschen zusammen.
    »Ist er?«, frage ich.
    »Was wollt ihr von ihm?«, fragt Ali.
    »Wir möchten nur mal mit ihm reden«, sagt der Brückner.
    Ali sieht Klatsche an.
    »Nur reden«, sagt Klatsche, »wirklich.«
    »Wird jemand davon erfahren?«, fragt Ali.
    »Nein«, sage ich, »wir waren nicht hier.«
    »Der Junge steht unter meinem

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