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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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ganze Zeit über die seltsamsten Träume.«
    »Aber du hofftest, es würde sich auszahlen?«
    Childe nickte. »Und diese Hoffnung könnte sich erfüllt haben. Vor sechs Monaten wurde ich zum letzten Mal geweckt, und seither bin ich nicht mehr in den Tank zurückgekehrt. Ich war vollauf damit beschäftigt, die Mittel und die Teilnehmer für eine äußerst ungewöhnliche Expedition zusammenzubekommen.«
    Er befahl dem Tisch, die Projektion zu verändern und einen ganz bestimmten Stern aufzufassen.
    »Ich will Sie nicht mit Katalognummern langweilen, sondern beschränke mich darauf, dass es sich um ein System handelt, von dem – vielleicht mit Ausnahme von Forqueray – niemand an diesem Tisch jemals gehört haben dürfte. Es wurde nie von Menschen kolonisiert, und kein bemanntes Raumschiff ist ihm auf mehr als drei Lichtjahre nahegekommen. Jedenfalls bis vor kurzem.«
    Der Projektor zoomte noch näher heran, das Bild wuchs Schwindel erregend schnell.
    Ein Planet schwoll auf Schädelgröße an und schwebte über dem Tisch.
    Er war ausschließlich in Grau- und matten Rottönen gehalten. Hier und dort zeigte er Krater und Schrammen, Folgen von Meteoriteneinschlägen und Verwitterungsprozessen, die wohl aus grauer Vorzeit stammten. Zwar gab es einen Hauch von Atmosphäre – ein trüb bläulicher Halo umgab den Planeten – und beide Pole trugen Eiskappen, aber die Welt sah weder bewohnbar noch besonders einladend aus.
    »Reizender kleiner Planet, nicht wahr?«, sagte Childe. »Ich habe ihn Golgatha genannt.«
    »Hübscher Name«, bemerkte Celestine.
    »Aber leider keine sehr hübsche Welt.« Childe vergrößerte das Bild noch einmal. Nun sahen wir die öde, scheinbar leblose Oberfläche wie aus einem Flugzeug. »Ziemlich trostlos, um genau zu sein. Golgatha hat etwa die Größe von Yellowstone und erhält auch etwa die gleiche Menge Sonnenlicht von seinem Stern. Einen Mond gibt es nicht. Die Oberflächenschwerkraft liegt so nahe bei einem Ge, dass man im Raumanzug keinen Unterschied mehr feststellt. Dünne Kohlendioxidatmosphäre, und nichts, was darauf schließen ließe, dass sich hier jemals Leben entwickelt hätte. Die Oberfläche kriegt eine Menge Strahlung ab, aber das ist so ziemlich das einzige Risiko, und damit werden wir leicht fertig. Golgatha ist tektonisch ruhig und wurde seit mehreren Millionen Jahren nicht mehr von größeren Meteoriten getroffen.«
    »Klingt ziemlich langweilig«, sagte Hirz.
    »Und ist es wahrscheinlich auch, aber darum geht es jetzt nicht. Es geht vielmehr darum, dass es auf Golgatha etwas gibt.«
    »Was für ein Etwas?«, fragte Celestine.
    »So eines«, antwortete Childe.
    Das Etwas stieg über den Horizont.
    Es war groß und dunkel und nur undeutlich zu erkennen. Im ersten Moment war es, als tauchte der Turm einer Kathedrale aus dem Morgennebel auf. Das Ding verjüngte sich nach oben hin zu einem dünnen Stängel, der sich zu einer großen Zwiebel erweiterte. Die endete wiederum in einer nadeldünnen Spitze.
    Wie groß es war und woraus es bestand, war nicht zu bestimmen, sicher war nur, dass es ein Artefakt war, keine ungewöhnliche biologische oder mineralische Formation. Auf Grand Teton hatten sich riesige Mengen von einzelligen Organismen zu den Schleimtürmen vereinigt, dem berühmtesten Naturschauspiel dieser Welt. Diese Türme erreichten eindrucksvolle Höhen und zeigten oft bizarre Formen, aber sie waren doch unverkennbar durch unbewusste biologische Prozesse entstanden und nicht das Ergebnis bewusster Planung. Der Turm auf Golgatha war dafür zu symmetrisch. Außerdem stand er völlig allein. Bei einem Lebewesen hätte ich Artgenossen und zumindest Spuren einer dazugehörigen Ökologie aus anderen Organismen erwartet.
    Selbst bei einem Fossil, das seit Jahrmillionen tot war, hielt ich es für äußerst unwahrscheinlich, dass es auf dem ganzen Planeten nur dieses eine geben sollte.
    Nein. Dieser Turm war ganz sicher von irgendjemandem aufgestellt worden.
    »Ein Bauwerk?«, fragte ich Childe.
    »Ja. Oder eine Maschine. Das ist schwer zu sagen.« Er lächelte. »Ich habe ihm den Namen Blutturm gegeben. Sieht ganz harmlos aus, nicht wahr? So lange man nicht genauer hinsieht.«
    Wir kreisten um den Turm oder was immer es sein mochte, und betrachteten ihn von allen Seiten. Aus der Nähe zeigte sich, dass die Oberfläche deutlich strukturiert war; um geometrisch komplexe Muster und Reliefs herum schlängelten sich darmähnliche Schläuche und dicke, vielfach verästelte

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