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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Sie hielt inne und wartete, bis wir so weit waren. »Das wiederholen wir noch achtmal; dann kommt die Einundneunzig, die auf jeder Seite dreizehn Punkte hat.«
    »Die letzte Rille«, sagte ich. Für mich war damit klar, dass zumindest Celestine die Aufgabe verstanden hatte.
    »Aber es gibt in diesem Abschnitt nur sieben tiefe Rillen«, fuhr sie fort. »Das heißt, wir müssen die Rille auf der rechten Seite finden, die der fehlenden triangulären Zahl entspricht.«
    »Wir alle?«, fragte Hirz.
    »Die Sache ist doch ganz einfach. Ich kenne die Antwort, aber Sie brauchen mir nicht einfach zu glauben. Die Dreiecke folgen einer einfachen Formel. Wenn die untere Seite eines Dreiecks n Punkte hat, dann sind es beim nächsten Dreieck n plus eins. Wenn Sie eins und zwei zusammenzählen, bekommen Sie drei. Wenn Sie eins und zwei und drei zusammenzählen, haben Sie sechs. Eins plus zwei plus drei plus vier ergibt zehn. Dann fünfzehn, einundzwanzig …« Celestine hielt inne. »Es hat keinen Sinn, mir blind zu vertrauen. Lassen Sie sich von Ihren Anzügen ein Schachbrett zeigen – Forqueray, wären Sie so freundlich? – und fangen Sie an, die Punkte zu Dreiecken zu ordnen.«
    Wir gehorchten. Es dauerte eine Viertelstunde, doch dann hatte Celestine mit dieser Holzhammermethode uns alle – auch Hirz – von ihrer Lösung überzeugt. Die fehlende tiefe Rille war die fünfundfünfzigste, und die befand sich auf gleicher Höhe mit einer tiefen Rille auf der rechten Türseite.
    Damit war alles klar. Auf diese Rille mussten wir drücken.
    »Irgendwie gefällt mir das nicht«, sagte Hirz. »Ich habe es zwar verstanden … aber man musste mich erst mit der Nase darauf stoßen. Wenn es nun ein anderes Muster gäbe, das keiner von uns sieht?«
    Celestine musterte sie mit eisigem Blick. »Es gibt kein solches Muster.«
    »Wir sollten nicht anfangen zu streiten«, mischte Childe sich ein. »Celestine hat die Lösung als Erste gesehen, aber damit hatten wir schließlich gerechnet. Hirz, Sie brauchen sich deshalb nicht zu schämen. Sie sind nicht wegen Ihrer mathematischen Fähigkeiten hier. Ebenso wenig wie Trintignant und Forqueray.«
    »Dann sagen Sie mir bitte Bescheid, wenn ich mich nützlich machen kann«, schmollte Hirz.
    Damit drängte sie sich vor und drückte auf die Rille rechts der Tür.
    Die nächsten fünf Räume brachten wir glatt und ohne Pausen hinter uns. Die Aufgaben wurden schwieriger, aber die Lösung war nie so abgehoben, dass wir uns nach eingehender Beratung nicht alle darauf hätten einigen können. Mit zunehmender Komplexität der Problemstellungen vergrößerte sich auch die dafür vorgesehene Fläche auf den Türrahmen, doch sonst änderte sich im Grunde nicht viel. Niemand drängte uns, schneller vorzugehen, als wir es wollten, und jedes Mal, wenn eine Tür durchschritten war, gab uns der Blutturm den Weg zurück zum Ausgang frei. Die Tür unmittelbar hinter uns schloss sich erst, wenn wir alle den Raum mit der gerade aktuellen Aufgabe betreten hatten, das hieß, wir konnten jedes Problem erst analysieren, bevor wir uns verpflichteten, uns an einer Lösung zu versuchen. Um sicher zu gehen, dass wir tatsächlich abziehen konnten, ließen wir Hirz bis an den Ausgangspunkt zurückkehren. Sie erreichte ungehindert den ersten Raum – Tür um Tür öffnete sich vor und schloss sich hinter ihr – und kam mit den Zugangscodes, die wir bereits herausgefunden hatten, auch wieder zu uns zurück.
    Doch dann sagte sie etwas, das uns beunruhigte.
    »Vielleicht bilde ich es mir ja nur ein, aber …«
    »Was?«, fuhr Childe sie an.
    »Ich finde, die Türen werden enger. Und niedriger. Am Anfang hatten wir deutlich mehr Kopffreiheit als jetzt. Es ist uns nur nicht aufgefallen, weil wir so lange brauchten, um von einem Raum zum anderen zu gelangen.«
    »Was sollte das für einen Sinn haben?«, fragte Celestine.
    »Wie gesagt, vielleicht bilde ich es mir ja auch nur ein.«
    Aber wir wussten alle, dass sie sich nicht getäuscht hatte. Bei den beiden letzten Malen hatte ich beim Passieren der Tür mit meinem Anzug den Rahmen gestreift. Ich hatte mir nichts dabei gedacht – ein Versehen, was sonst? –, aber das war wohl nur ein frommer Wunsch gewesen.
    »Ich hatte mir auch schon Gedanken wegen der Türen gemacht«, sagte ich. »War es nicht auffallend, dass die erste, vor der wir standen, genau die richtige Größe für uns hatte? Sie hätte aus einem Menschengebäude stammen können.«
    »Warum werden sie dann kleiner?«,

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