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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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musste sie größere schwimmende Inseln umfahren. Das Sonar meldete Dutzende von Fäden, die dicht unter der Wasseroberfläche bei diesem Knoten zusammenliefen. Sie kamen aus allen Richtungen und setzten sich weit über die Reichweite des Bootssonars hinaus fort. Die meisten wurden wohl von Knoten ausgeschickt, die hunderte von Kilometern hinter dem Horizont lagen. Aber man konnte davon ausgehen, dass einige auch mit den Knoten innerhalb der Seemauer verbunden waren. Die Seuche, die Weir ausgelöst hatte, war offensichtlich nicht durch die Lücke ins offene Meer gelangt. Naqi nahm nicht an, dass sich die Tore früh genug geschlossen hatten, um die chemischen Signale mit der Todesbotschaft zu blockieren. Wahrscheinlicher war, dass ein verborgener Selbstschutzmechanismus wirksam geworden war, dass die sterbenden Knoten Notsignale geschickt hatten, durch die die Fäden gezwungen wurden, sich ohne Hilfe der Menschen abzutrennen.
    Gerade als Naqi zu der Ansicht gelangte, sie hätte Weirs Pläne falsch eingeschätzt, entdeckte sie eine rechteckige Furche, die mitten durch einen der größten Tochterknoten führte. Die Wunde schloss sich vor ihren Augen – in wenigen Minuten würde sie verschwunden sein –, aber noch war genug zu sehen, um sagen zu können, dass Weir mit seinem Boot vor kurzem durch die Masse gerast sein musste. Es passte zu ihm. Er hatte bereits vorher bewiesen, dass ihm nichts daran lag, die Musterschieber zu schonen.
    Mit neuer Entschlossenheit gab Naqi Schub. Örtlich begrenzte Schäden an den schwimmenden Massen kümmerten sie nicht mehr. Hier ging es um sehr viel mehr als um das Wohlergehen eines einzelnen Knotens.
    Sie spürte etwas Warmes im Nacken.
    Im gleichen Augenblick erstrahlten der Himmel, das Meer und die schwimmenden Gebilde vor ihr in schmerzhaft grellem Licht. Ihr eigener Schatten verlängerte sich bedrohlich nach vorne. Die Helligkeit verblasste in den nächsten Sekunden, und sie wagte sich umzusehen. Sie ahnte bereits, was sie erwartete.
    Vom Zentrum des Knotens stieg eine glühende Gaswolke auf, die eine Materiesäule hinter sich herzog. Das Ganze sah aus wie ein grässlich angeschwollenes Gehirn mit einer verdrehten, knotigen Wirbelsäule. Vor der Pilzwolke zeichnete sich, ein winziger Fleck, das Shuttle der Delegierten ab.
    Erst eine Minute später war der Knall zu hören, unglaublich laut, aber nicht so ohrenbetäubend, wie sie erwartet hätte. Das Boot machte einen Satz; die See schäumte auf und beruhigte sich wieder. Der Ringwall hatte die Wucht der Detonation wohl zu einem großen Teil abgefangen.
    Jäh überfiel Naqi die Angst vor einer zweiten Explosion. Sie wandte sich wieder dem Knoten zu. Im gleichen Augenblick entdeckte sie etwa dreihundert Meter vor sich Weirs Boot. Es bog vor dem unpassierbaren Rand der Schiebermasse ab und verringerte allmählich seine Geschwindigkeit. Naqi wusste, dass sie nicht zögern durfte.
    Und dann hatte auch Weir sie gesehen. Er wendete scharf und beschleunigte wieder. Naqi riss sofort das Steuer herum. Ihr Boot war mit Sicherheit schneller, es war nur eine Frage der Zeit, bis sie ihn eingeholt hätte. Eine Minute später war Weirs Boot hinter der Wölbung des Knotens verschwunden. Vielleicht hätte sie seinen Rumpf mit dem Sonar orten können, aber so dicht am Knoten waren die Echos so verzerrt, dass sie nicht zu deuten waren. Naqi steuerte trotzdem weiter weg und hoffte, Weir würde den taktischen Fehler begehen, auf einen anderen Knoten zuzuhalten. Im freien Wasser hätte er keine Chance, aber vielleicht war ihm das auch selbst klar.
    Sie musste den Knoten zu einem Drittel umrunden, dann hatte sie ihn eingeholt. Er hatte gar nicht erst versucht zu fliehen, sondern in einer halbwegs geschützten Bucht am Rand angehalten. Nun stand er im Heck und hatte einen kleinen schwarzen Gegenstand in der Hand.
    Naqi fuhr näher heran und drosselte die Geschwindigkeit. Erst als sie das Dach des Cockpits bereits aufgeklappt hatte, fiel ihr ein, dass Weir eventuell die gleichen Waffen besaß wie Crane.
    Auch sie stand auf. »Weir?«
    Er lächelte. »Ich bedauere, Ihnen so viel Ärger bereitet zu haben. Aber auf andere Weise wäre es wohl nicht möglich gewesen.«
    Sie ging nicht darauf ein. »Das Ding, das Sie in der Hand halten?«
    »Ja?«
    »Es ist eine Waffe, nicht wahr?«
    Jetzt konnte sie es deutlich sehen. Es war eine kleine Glaskugel, nicht größer als eine Kindermurmel. Das Innere war mit einer dunklen Substanz gefüllt, aber sie konnte nicht

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