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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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werden.
    Für die Schieber konnte sie nichts mehr tun.
    Naqi wendete das Boot und steuerte wieder auf die Lücke zu. Die Wassertore hatten den Durchlass inzwischen etwa um ein Viertel verkleinert.
    Durch die Veränderungen innerhalb des Ringwalls war die See sogar an den Anlegeplätzen unruhig. Sie vertäute das Boot an einem Landesteg und fuhr mit dem Fahrstuhl nach oben. Ein Spurt über die Oberfläche des Ringwalls war dem Aufstieg über die Treppe allemal vorzuziehen. Als sie die Lücke erreichte, waren die Tore zu drei Vierteln geschlossen, und sie stellte erleichtert fest, dass die Maschinerie noch immer ihren Dienst tat.
    Sie strebte dem Turm zu. Auch wenn Sivaraksa selbst sicher noch im Kontrollzentrum saß, hätte sie erwartet, hier draußen einigen Menschen zu begegnen. Aber weit und breit war niemand zu sehen. Sie begann gerade zu ahnen, dass hier wohl etwas nicht stimmte, als Sivaraksa durch die Tür am Fuß des Turms ins Freie stolperte.
    Naqi wollte seinen Namen rufen, doch dann begriff sie, dass er stolperte, weil er verletzt war – seine Finger waren blutig –, und dass er wohl vor irgendetwas auf der Flucht sein musste.
    Sie warf sich hinter einem Palettenstapel zu Boden und beobachtete ihren Vorgesetzten durch die Zwischenräume. Er schlug immer wieder nach einem kleinen silbernen Ding, das ihn umschwirrte wie eine aufdringliche Wespe. Nein, nicht nur eines: ein ganzer Schwarm quoll durch die offene Tür. Sivaraksa fiel stöhnend zu Boden und wehrte die Plagegeister mit beiden Händen ab. Doch er verschmierte sich nur das Gesicht mit seinem eigenen Blut, verscheuchen konnte er sie nicht. Endlich kippte er zur Seite.
    Naqi war vor Schreck wie gelähmt.
    Eine Gestalt trat aus der Tür.
    Ihre Kleidung leuchtete in den Farben des Feuers. Es war Amesha Crane. Im ersten Moment vermittelte ihr Verhalten den Eindruck, sie wolle Sivaraksa zu Hilfe kommen. Naqi konnte kaum fassen, dass jemand, der so gelassen auftrat, zu derart brutaler Gewalt fähig sein sollte.
    Aber Crane kam Sivaraksa nicht zu nahe. Sie breitete nur theatralisch die Arme aus, spreizte die Finger und hielt diese Pose. Ihre Halsmuskeln spannten sich und traten deutlich hervor.
    Die silbernen Objekte ließen von Sivaraksa ab, erhoben sich in die Lüfte und schwirrten auf Crane zu.
    Dicht vor ihr wurden sie wie auf einen stummen Befehl langsamer und glitten erstaunlich folgsam auf ihre Finger, schlossen sich um ihre Handgelenke und hefteten sich an ihre Ohrläppchen.
    Die Angreifer waren ihre silbernen Schmuckstücke gewesen.
    Crane warf einen letzten Blick auf Sivaraksa, machte auf dem Absatz kehrt und zog sich in den Turm zurück.
    Naqi wartete, bis sie sicher sein konnte, dass die Frau nicht wiederkäme, dann richtete sie sich hinter dem Palettenstapel auf. Sivaraksa bemerkte sie. Er sagte nichts, nur seine gequälten Augen weiteten sich, und Naqi verstand die Warnung und blieb, wo sie war. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals.
    Eine Minute lang geschah nichts.
    Dann bewegte sich etwas über ihr, und ein Schatten fiel auf das Wasser innerhalb des Ringwalls. Das Shuttle der Stimme des Abends löste sich vom Turm. An der Unterseite des mantaförmigen Rumpfs begannen die weißen Maschinen zu schwirren.
    Das Shuttle verharrte über der Lücke, wie um zu beobachten, wie sich die riesigen Tore vollends schlossen. Naqi hörte sie knirschend einrasten. Dann legte sich das Shuttle in die Kurve und strebte, nicht mehr als hundert Meter über den Wellen, nach innen. Wenig später hielt es über der kreisrunden Wasserfläche an, flog eine scharfe Neunzig-Grad-Wendung und setzte seinen Weg in konzentrischen Kreisen entlang der Innenwand fort.
    Sivaraksa schloss die Augen. Naqi fürchtete schon, er sei tot, doch dann schlug er die Lider auf und nickte kaum merklich. Naqi verließ ihr Versteck und eilte tief geduckt wie eine Krabbe auf ihn zu.
    Sie kniete neben ihm nieder, hob mit einer Hand seinen Kopf an und fasste mit der anderen nach seiner Hand. »Jotah … was ist geschehen?«
    Er konnte kaum sprechen. »Sie griffen uns an. Die neunzehn anderen Delegierten. Sobald …« Er hielt inne, sammelte Kräfte. »Sobald Weir aktiv geworden war.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Willkommen im Club«, sagte er und rang sich ein Lächeln ab.
    »Ich muss Sie hineinbringen«, sagte sie.
    »Wozu? Alle anderen sind inzwischen sicherlich tot. Sie haben niemanden verschont.«
    »Nein.«
    »Mich haben sie bis zum Schluss aufgespart. Sie wollten, dass ich die Befehle

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