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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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nach seinem Bilde formen. Die Aliens werden das auch tun, wenn man ihnen die richtigen Geschenke bringt. Und das kann ich nicht zulassen.«
    Naqi wählte ihre Worte sehr sorgfältig, denn sie ahnte, dass Weir die geringste Kleinigkeit zum Anlass nehmen würde, das Gift freizusetzen. Den letzten Versuch hatte sie verhindert, aber eine zweite Chance würde er ihr nicht geben. Er brauchte die Kugel nur in der Hand zu zerdrücken und den Inhalt in den Ozean zu schütten. Dann wäre alles vorüber. Alles, was sie je gekannt, alles, wofür sie gelebt hatte.
    »Aber wir sprechen doch nur von neunzehn Personen«, sagte sie.
    Weir lachte hohl. »Das sind leider nicht alle. Schalten Sie das Funkgerät ein, dann werden Sie verstehen, was ich meine.«
    Naqi gehorchte. Mit dem kleinen zerkratzten Monitor der Kommunikationskonsole konnte man Fernsehbilder empfangen, die vom Satellitennetz abgestrahlt Wurden. Sie klickte sich durch die Kanäle. Auf den meisten bekam sie nur statisches Rauschen. Der offizielle Informationskanal des Schneeflockenrats war nicht auf Sendung, private Botschaften kamen nicht durch. Einiges deutete darauf hin, dass das Satellitennetz beschädigt war. Doch endlich fing sie ein paar schwache Signale von umliegenden Schneeflockenstädten auf. Was sie sendeten, hatte einen verzweifelten Unterton, so als rechneten sie jeden Moment damit, abgeschaltet zu werden.
    Weir nickte resigniert, als hätte er nichts anderes erwartet.
    In den vergangenen sechs Stunden hatte die Stimme des Abends mindestens zehn weitere Shuttles abgesetzt, alle randvoll mit bewaffneten Vahishta-Adepten. Diese Shuttles hatten die großen Schneeflockenstädte des Planeten und die Atollsiedlungen angegriffen und sie so lange bombardiert, bis sie kapitulierten. Bei drei Städten hatte man mit Strahlenwaffen die Vakuumblasen durchlöchert. Die Städte waren ins Meer gestürzt. Überlebende hatte es sicherlich nicht gegeben. Andere Städte schwebten zwar noch, brannten aber lichterloh. Auf dem Bildschirm sah man, wie sich die Bewohner von den Andockarmen stürzten und wie glühende Funken durch die Luft fielen. Ein Teil der Ansiedlungen war unblutig erobert worden und befand sich in der Gewalt der Adepten.
    Von ihnen sendete keine mehr.
    Es war das Ende der Welt. Naqi wusste, dass sie weinen oder ihre Trauer zumindest wie einen dumpfen Schmerz in den Eingeweiden spüren sollte, aber sie empfand nur Trotz. So rasch konnten die Ereignisse doch nicht eskalieren! Noch heute Morgen war das Fehlen eines Adepten der einzige Anhaltspunkt dafür gewesen, dass etwas nicht stimmte.
    »Da oben warten noch Zehntausende«, sagte Weir. »Sie haben bisher nur die Vorhut gesehen.«
    Naqi kratzte sich den Unterarm. Die Haut juckte, als hätte sie sich einen Sonnenbrand geholt.
    »Moreau war eingeweiht?«
    »Captain Moreau ist nur eine Marionette. Im wahrsten Sinne des Wortes. Der Mann, den Sie gesehen haben, wurde von Adepten aus dem Orbit ferngesteuert. Sie haben die Ultras ermordet und sich ihres Schiffs bemächtigt.«
    »Rafael, warum haben Sie uns das nicht schon früher erzählt?«
    »Meine Position war zu unsicher. Ich bin der einzige Anti-Ormazd-Agent, den meine Bewegung auf der Stimme des Abends einschleusen konnte. Hätte ich versucht, die Behörden auf Türkis zu warnen … Sie können sich selbst ausmalen, was geschehen wäre. Man hätte mir wahrscheinlich kein Wort geglaubt, und die Adepten hätten schon Mittel und Wege gefunden, mich zum Schweigen zu bringen, bevor ich zur Belastung werden konnte. An ihren Eroberungsplänen hätte es nichts geändert. Ich hatte nur eine Hoffnung: ich musste den Ozean zerstören, damit sie nichts mehr damit anfangen konnten. Vielleicht hätten sie Ihre Städte zur Strafe dennoch vernichtet, aber zumindest hätten sie die letzte und wichtigste Verbindung zu ihrem Märtyrer verloren.« Weir beugte sich zu ihr. »Verstehen Sie nicht? Auch mit den Adepten an Bord der Stimme wäre die Sache ja noch nicht zu Ende gewesen. Sie hätten weitere Schiffe von Haven gerufen. Ihr Ozean wäre ein Fließband zur Erzeugung von Despoten geworden.«
    »Warum haben sie so lange gezögert, wenn sie uns so turmhoch überlegen waren?«
    »Nachdem sie von mir nichts wussten, konnten sie es sich leisten, ein paar Wochen lang nur Informationen zu sammeln. Sie wollten so viel wie möglich über Türkis und die Schieber in Erfahrung bringen, bevor sie zur Tat schritten. Sie mögen brutal sein, aber unfähig sind sie nicht. Sie wollten die

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