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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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gebe.« Er musste husten. Blut spritzte über ihre Hand.
    »Ich kann Sie trotzdem …«
    »Naqi. Retten Sie sich! Holen Sie Hilfe!«
    Sie begriff, dass es mit ihm zu Ende ging.
    »Das Shuttle?«
    »Sucht nach Weir. Denke ich.«
    »Sie wollen Weir zurückholen?«
    »Nein. Habe sie belauscht. Sie wollen ihn töten. Sie müssen ganz sicher gehen.«
    Naqi runzelte die Stirn. Sie war völlig ratlos, aber allmählich ging ihr das eine oder andere Licht auf. Sie hatte Weir für den Schurken gehalten, weil er ihren geliebten Musterschiebern geschadet hatte. Aber wenn sie Sivaraksa glauben konnte, hatten Crane und ihr Gefolge Dutzende von Menschen ermordet. Und offenbar wollten sie auch Weirs Tod. Was war aus dieser Sicht von Weir zu halten?
    »Jotah … Ich muss Weir finden. Ich muss in Erfahrung bringen, warum er das getan hat.« Sie wandte sich dem Inneren des Ringwalls zu. Das Shuttle setzte seine Suche fort. »Konnten Ihre Sicherheitsleute ihn noch einmal orten?«
    Sivaraksa lag in den letzten Zügen. Sie fürchtete schon, keine Antwort mehr zu bekommen. »Ja«, sagte er endlich. »Ja, sie haben ihn wieder gefunden.«
    »Und? Haben Sie eine Vorstellung, wo er sein könnte? Vielleicht kann ich ihn noch vor dem Shuttle erreichen.«
    »Falscher Ort.«
    Sie beugte sich tiefer über ihn. »Jotah?«
    »Falscher Ort. Amesha sucht am falschen Ort. Weir ist durch die Lücke entkommen. Er ist draußen auf dem offenen Meer.«
    »Ich werde ihm folgen. Vielleicht kann ich ihn aufhalten …«
    »Versuchen Sie es«, sagte Sivaraksa. »Aber ich bin nicht sicher, ob noch etwas zu retten ist. Ich habe eine Vorahnung, Naqi. Eine schreckliche Vorahnung. Alles geht zu Ende. Aber es war doch schön, nicht wahr? So lange es dauerte?«
    »Ich gebe noch nicht auf«, sagte Naqi.
    Er nahm seine letzten Kräfte zusammen. »Das wusste ich. Es war richtig, Ihnen zu vertrauen. Noch eines, Naqi. Es könnte wichtig sein … wenn es zum Schlimmsten kommt, meine ich …«
    »Jotah?«
    »Tak Thonburi hat es mir gesagt … streng geheim, nur innerhalb des Schneeflockenrates bekannt. Arviat, Naqi …«
    Im ersten Moment traute sie ihren Ohren nicht. Vielleicht redete er ja schon irre. »Arviat? Die Stadt, die sich am Meer versündigte?«
    »Es gab sie wirklich«, sagte Sivaraksa.
    An der Außenseite des Ringwalls lagerten hundert Meter über dem offenen Meer auf nahezu senkrechten Gleitbahnen etliche Rettungs- und Versorgungsboote für Katastropheneinsätze. Sie wählte ein kleines, aber schnelles Fahrzeug mit geschlossenem Cockpit und sauste damit zum Ozean hinab. Ihr Magen schlug Purzelbäume. Das Boot tauchte unter und wieder auf, nahm Fahrt auf und fuhr seine Keramiktragflächen aus, damit der Rumpf möglichst wenig mit dem Wasser in Berührung kam. Naqi konnte keinen Kurs eingeben, aber sie nahm an, dass Weir in mehr oder weniger gerader Linie von der Lücke weggefahren war, um die Seemauer so weit hinter sich zu lassen, wie er nur konnte, bevor die anderen Delegierten ihren Fehler erkannten. Um den nächsten Knoten außerhalb des Ringwalls – sein wahrscheinlichstes Ziel – zu erreichen, brauchte er von diesem Kurs nur geringfügig abzuweichen.
    Zwanzig Kilometer von der Seemauer entfernt warf Naqi einen Blick zurück. Das Bauwerk war nur noch ein dünner weißer Strich über dem Horizont. Die Türme und die jetzt geschlossene Lücke zeichneten sich als kleine Unebenheiten in der Geraden ab. Von einem Dutzend Stellen stiegen schwarze Rauchsäulen auf. Naqi konnte es nicht genau sehen, dazu war sie zu weit entfernt, aber sie hielt es für wahrscheinlich, dass aus den Türmen Flammen schlugen.
    Der nächste Knoten jenseits der Seemauer erschien fünfzehn Minuten später am Horizont. Er war bei weitem nicht so eindrucksvoll wie jener, der Mina verschlungen hatte, aber immer noch größer und komplexer als die Knoten, die sich innerhalb des Ringwalls gebildet hatten – eine Weltmetropole gegen bescheidene Kleinstädte. Vor dem Himmel zeichneten sich grüne Türmchen, Rotunden und Zackenkronen ab, dazwischen spannte sich ein ganzes Netz von dicken und dünnen Fäden. Die Sprites waren nur vorüberhuschende Silhouetten. Außer ihnen bewegte sich kaum etwas. Noch war der Knoten nicht von den hektischen Veränderungen befallen, die sie innerhalb des Ringwalls beobachtet hatte.
    War Weir anderswohin gefahren?
    Sie jagte das Boot weiter, nahm aber die Geschwindigkeit ein wenig zurück. Das Wasser war zunehmend von Mikroorganismen durchsetzt, und gelegentlich

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