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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Hörschwelle. Weniger wie Donner als wie eine weit entfernte, aber sehr hitzige Diskussion.
    Es kam ungefähr aus dem Zentrum des Knotens.
    Vor ihren Augen wölbte sich ein glatter grüner Hügel, eine abgeplattete Halbkugel empor, wuchs von Sekunde zu Sekunde und assimilierte mit unerschütterlicher Gleichgültigkeit die missgebildeten Strukturen. Die Zerrbilder verschwanden wie in einer Nebelwand, tauchten jedoch nicht wieder auf. Der Hügel vergrößerte sich weiter und wälzte sich leise grollend auf Naqi zu. Die gesamte Knotenmaterie bildete sich zu einem einzigen, undifferenzierten Klumpen um.
    »Jotah …«, sagte sie.
    »Wir sehen es, Naqi. Aber wir verstehen es nicht.«
    »Weir muss irgendeine … Waffe eingesetzt haben«, sagte sie.
    »Wir wissen nicht einmal, ob er dem Knoten geschadet hat … Vielleicht hat er nur einen Übergang in einen bisher nicht dokumentierten Zustand ausgelöst.«
    »In meinen Augen hat er ihm trotzdem Gewalt angetan. Ich habe Angst, Jotah.«
    »Glauben Sie, ich nicht?«
    Ringsum veränderte sich das Meer. Sie hatte die stahltrossendicken Fäden vergessen, mit denen die Knoten unter Wasser verbunden waren. Die peitschten nun dicht unter der Oberfläche wild hin und her und wirbelten grünlichen Gischt auf. Naqi kam es vor, als würde sie Zeuge eines verbissenen Kampfes unsichtbarer Seeungeheuer, der nur mit dem Tode enden konnte.
    »Naqi … Wir beobachten nun auch Veränderungen im vorderen der beiden anderen Knoten.«
    »Nein«, sagte sie, als ob sich damit etwas ändern ließe.
    »Es tut mir Leid …«
    »Wo ist Weir?«
    »Wir haben ihn verloren. Die Meeresoberfläche ist zu unruhig.«
    In diesem Augenblick schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf, und sie wusste, was zu tun war.
    »Jotah … Sie müssen die Wassertore schließen. Sofort. Auf der Stelle. Bevor die Entwicklung, die Weir in Gang gesetzt hat, auch auf das offene Meer übergreifen kann. Nebenbei bemerkt schneiden wir Weir damit auch den einzigen Fluchtweg ab.«
    Sivaraksa war immerhin so vernünftig, ihr keinen Widerstand entgegenzusetzen. »Sie haben Recht. Ich leite die Schließung ein. Aber es wird einige Minuten dauern …«
    »Ich weiß, Jotah!«
    Sie verwünschte sich selbst, weil ihr das nicht früher eingefallen war, und sie verwünschte Sivaraksa, weil auch er nicht schneller geschaltet hatte. Aber eigentlich war keinem von ihnen ein Vorwurf zu machen. Die Schließung der Tore war keine Maßnahme, zu der man sich so mir nichts dir nichts entschied. Vor ein paar Stunden war sie noch ein wissenschaftliches Experiment gewesen, das Monate in der Zukunft lag -ein Test, um festzustellen, inwieweit die Schieber bereit waren, auf die Pläne der Menschen einzugehen. Nun war sie eine Verzweiflungstat, eine Amputation, bei der es auf jede Sekunde ankam.
    Sie spähte zu der Lücke zwischen den Türmen hinüber. Sivaraksa würde mindestens Minuten brauchen, um die Schließung einzuleiten. Es genügte nicht, einen Knopf auf seinem Schreibtisch zu drücken, er musste auch zwei oder drei Spezialisten wecken, Techniker, die es rasch zu überzeugen galt, dass man sie nicht auf den Arm nehmen wollte. Und dann musste die Maschinerie funktionieren. Der Mechanismus, mit dem die Tore nach innen gedrückt wurden, war mehrfach getestet worden … aber man war dabei nie bis an die Grenzen gegangen, sondern hatte die beiden Flügel immer nur ein paar Meter aufeinander zu bewegt. Nun sollten sie gleich beim ersten Mal fehlerlos arbeiten und mit feinmechanischer Präzision ineinander fallen.
    Und wann hätte auf Türkis schon einmal etwas auf Anhieb geklappt?
    Da. Die Lücke war kaum merklich um eine Winzigkeit kleiner geworden. Alles ging quälend langsam.
    Naqi schaute zu den Resten des Knotens zurück. Der Hügel hatte die gesamte verfügbare Biomasse aufgezehrt und wuchs nicht mehr weiter. Es war, als hätte ein Kind aus Lehm das detaillierte Modell einer Phantasiestadt gebaut, und ein herzloser Erwachsener hätte alles zu einem Klumpen eingeebnet und jede Spur der früheren Vielfalt zerstört. Von den anderen Knoten zeigte der nächste schon erste Anzeichen der gleichen Entwicklung: der hektische Transformationszyklus vor der Entstehung des Hügels hatte bereits eingesetzt. Vermutlich, dachte sie jetzt, hatte der Knoten mit diesen Transformationen versucht, sich gegen die Waffe zu wehren, mit der Weir ihn angegriffen hatte, ähnlich wie ein Computer seine Daten umschichtete, um nicht von einer Virusattacke lahm gelegt zu

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